Sexualität und PD

Parkinson beeinträchtigt die Motorik, die Psyche, die Gefühlswelt – und damit auch die Sexualität eines Paares. Ein Problem, das lösbar ist – sofern es offen angegangen wird. Von Jörg Rothweiler

Sex ist schön – wenn man jung und gesund ist. Parkinsonbetroffene aber sind alt und krank – und Alte und Kranke haben kein Interesse an Sex. Also haben Parkinsonbetroffene kein Problem mit ihrer Sexualität!» Diese Meinung ist absolut falsch!

Erstens sind die meisten Parkinsonbetroffenen weit von jenem Alter entfernt, in dem die Lust am Sex gänzlich schwindet. Zweitens sind sie zwar krank – aber ihre Gefühle, ihre Emotionen und die Lust auf Sex bleiben davon meist unberührt. Drittens ist die Mehrzahl der Betroffenen körperlich durchaus in der Lage, trotz aller Probleme, die Parkinson beschert, erfüllenden Sex zu haben.

Dennoch gelingt genau dies den wenigsten. Laut diversen Studien sind Parkinsonbetroffene beiderlei Geschlechts überdurchschnittlich häufig mit ihrem Sexualleben unzufrieden. So klagen an Parkinson erkrankte Männer vor allem über Erektionsstörungen, vorzeitige Ejakulation und Schwierigkeiten beim Erreichen eines Orgasmus. Parkinsonbetroffene Frauen indes leiden unter verringerter Erregbarkeit, Trockenheit der Scheide und dadurch verursachte Orgasmusschwierigkeiten. Kein Wunder also, dass das Verlangen der Betroffenen mit Fortschreiten ihrer Erkrankung stetig sinkt.

Genau hier orten Sexualtherapeuten und Psychologen das Kernproblem: Das sexuelle Verlangen sinkt nicht, weil die Lust auf Sex aufgrund des Alters oder der Parkinsonerkrankung einfach ausbleibt. Das Verlangen schwindet, weil die sexuelle Funktion gestört ist, was wiederholte Enttäuschung und Frustration provoziert und psychischen Stress auslöst, der die Lust torpediert.

Die normale Sexualfunktion und mögliche Störungen

Der Geschlechtsakt besteht aus der Erregungs- und der Orgasmusphase. Während der Erregungsphase füllen sich die Geschlechtsorgane mit Blut und schwellen an – beim Mann erkennbar an der Erektion. Die Frau produziert überdies Geschlechtsflüssigkeit, ihre Scheide wird feucht. Ist diese Erregungsphase gestört, bleibt der Penis des Mannes schlaff oder die Erektion ebbt ab, noch ehe ein Orgasmus erreicht wurde. Bei der Frau führt eine Erregungsstörung zu mangelnder Lubrikation der Scheide, das Eindringen des Mannes verursacht Schmerzen. Manche Frauen verspüren auch eine unwillkürliche Kontraktion der Vaginalmuskeln, sobald der Mann versucht, einzudringen. Dieser «Vaginismus» kann so stark sein, dass ein Eindringen unmöglich wird.

Die häufigste Störung der Orgasmusphase beim Mann ist die vorzeitige Ejakulation. In seltenen Fällen kommt es aber auch zur verzögerten oder ganz ausbleibenden Ejakulation. Bei Frauen bleibt, sobald die Erregungsphase gestört ist, in aller Regel auch der Orgasmus aus. Andere Frauen verspüren zwar eine ausreichende Erregung, kommen aber trotz adäquater Stimulation nicht zum Orgasmus. Dann spricht man von Anorgasmie.

Beide Phasen der sexuellen Funktion – Erregung und Orgasmus – hängen stark von der Funktion des autonomen Nervensystems ab. Dieses kann durch Alkohol, Medikamente sowie gewisse Erkrankungen gestört sein. Wesentlich häufiger aber sind psychische Belastungen (Angst, Sorgen, Ekel) die Ursache sexueller Probleme – auch bei an und für sich kerngesunden Menschen.

Ein Beispiel: Hat ein Mann viel Stress in der Arbeit, kann er zeitweise impotent werden. Verschwindet der Stress, kommt die Potenz wieder zurück. Es sei denn, der Mann macht sich so grosse Sorgen wegen seines zeitweiligen «Versagens», dass er jedesmal, wenn er Sex haben will, so gestresst wird, dass die Impotenz wiederkehrt. Ähnlich kann eine Frau wegen finanzieller Sorgen eine Erregungsstörung haben, was zu Schmerzen beim Sex führt. Später kann allein die Furcht vor diesen Schmerzen die Erregung hemmen – was zu neuen Schmerzen führt, noch mehr Angst auslöst und schliesslich einen Vaginismus heraufbeschwören kann. Besonders tragisch: solche Störungen können auf den anderen Partner übertragen werden. Etwa, weil eine Frau, deren Partner an vorzeitiger Ejakulation leidet, Angst bekommt, sie erreiche ihren eigenen Orgasmus nicht rasch genug. Sie wird dann Erregungsschwierigkeiten bekommen, die wiederum den Mann zusätzlich belasten – bis beiden die Lust am Sex (das Verlangen!) komplett abhanden kommt.

Die Sexualfunktion bei Parkinson

Zunächst muss festgehalten werden, dass die Parkinsonkrankheit nicht zwangsläufig mit dem Auftreten sexueller Probleme gleichzusetzen ist. Es gibt viele betroffene Paare, bei denen der Sex wunderbar funktioniert. Es gibt aber leider auch viele Paare, die Probleme haben. Die Gründe dafür sind komplex und vielschichtig. 

Die motorischen Symptome (Rigor, Tremor, Unbeweglichkeit) behindern die sexuelle Aktivität, Antriebslosigkeit und Fluktuationen  hemmen die Spontanität. Hinzu kommen alters-, krankheits- oder auch medikamentenbedingte Erektionsprobleme der Männer respektive die Trockenheit der Scheide bei Frauen. Verändertes Aussehen, Speichelfluss, starkes Schwitzen oder Inkontinenz verringern die körperliche Attraktivität der Betroffenen, das typische «Maskengesicht» täuscht mangelndes Gefühl und fehlende Lust vor. Sprachstörungen behindern die Kommunikation, depressive Verstimmungen dämpfen das Verlangen. Oft unterschätzt wird zudem das veränderte Rollenverhältnis der Partner. Der einst punkto Sexualität aktivere Partner wird immer passiver – die Sexualität schläft ein. Umgekehrt kann auch übertriebene Schonung des Patienten zum Erliegen der Sexualität führen. Und welche Person schafft es schon, tagsüber die Rolle des Pflegenden auszuüben und nachts die Rolle der Liebhaberin/des Liebhabers zu spielen?

Nicht zuletzt können falsche Ängste (etwa, Sex könne die Krankheit verschlimmern), übertriebene Erwartungen oder andere, starke Gefühle bis hin zum Ekel vor dem körperlich veränderten Partner die Sexualität erheblich beeinträchtigen. Und hat ein Paar, etwa aufgrund der Schlafstörungen des Patienten, erst einmal getrennte Schlafzimmer, werden intime Begegnungen noch seltener.

Sexprobleme: Nicht nur eine reine Männersache

Natürlich betrifft Parkinson immer alle Beteiligten einer Partnerschaft – aber eben doch unterschiedlich stark. So zeigt die Erfahrung, dass Paare, in denen die Frau erkrankt ist, eher seltener über sexuelle Probleme berichten als solche, in denen der Mann erkrankt ist. Wobei im ersten Fall beide Partner etwa gleich häufig an Störungen der Erregungs- und/oder der Orgasmusphase leiden, und im zweiten Fall die gesunden Frauen eher über abnehmendes Verlangen und Störungen der Erregungsphase klagen als ihre erkrankten Männer. Allen Fällen gemeinsam ist, dass dauerhafte Störungen der Sexualität zu chronischen Selbstzweifeln und sogar zu Depressionen führen können.

Achtung – auch die Medikation mischt mit!

Sexuelle Störungen müssen aber nicht immer psychische oder körperliche Ursachen haben – auch die Medikation spielt eine Rolle. So ist bekannt, dass L-Dopa sowie gewisse Dopaminagonisten das sexuelle Verlangen, insbesondere bei Männern, steigern können – wobei die sexuelle Funktion meist eingeschränkt bleibt. Die eher harmlosen Folgen dieser sogenannten Hypersexualität sind sexuelle Fantasien, Tagträume und häufige Selbstbefriedigung. Es können aber auch schwere Verhaltensstörungen bis hin zu paranoiden Entwicklungen wie Eifersuchtswahn oder eine Neigung zum Exhibitionismus ausgelöst werden. Zudem kann das plötzliche Wiederaufflammen des längst entschlafen geglaubten Triebs die Partner der Betroffenen schlicht überfordern. 

Solche medikamenteninduzierte Störungen werden übrigens von den Betroffenen kaum angesprochen – weil sich diese davon nur selten beeinträchtigt fühlen. Oft genug sehen es die Angehörigen, scheuen sich aber, das Thema anzusprechen – bis irgendwann ein so bizarres Sexualverhalten an den Tag gelegt wird, dass die Grenzen der Sittlichkeit oder gar des Gesetzes überschritten werden. So verurteilte ein US-Gericht im September 2009 einen 68-jährigen, seit 1997 an Parkinson erkrankten Akademiker wegen sexueller Handlungen mit einem 14-jährigen Knaben zu zehn Jahren Haft. Das sexuelle Fehlverhalten des Betroffenen war der Familie bekannt, doch hatte diese aus Scham geschwiegen. Hätte seine Frau den Neurologen informiert, hätte dieser die Medikation anpassen können – und viel Leid wäre vermieden worden

Natürlich ist dies ein besonders krasses Beispiel. Dennoch macht es deutlich: Sexuelle Probleme müssen angesprochen werden!

Sexualprobleme sind nur mit Offenheit zu lösen

Schweigen führt zu Ängsten, Missverständnissen und Stress – und damit zu einer noch stärker gestörten Sexualität. Ein Teufelskreis, aus dem nur entkommen kann, wer offen darüber redet – mit dem Neurologen, einem parkinsonerfahrenen Paartherapeuten und natürlich mit seinem Partner. Denn oft genug öffnet ein Gespräch wichtige Türen. Sagen Sie Ihrem Partner, was Sie beim Sex mögen – und was nicht. Brechen Sie die Routine und probieren Sie auch andere Stellungen aus – das kann gerade bei motorischen Störungen viel Positives bewirken. Falls Sie unter Fluktuationen leiden verabreden Sie doch einmal für die Zeit, in der die Beweglichkeit normalerweise am besten ist, ein intimes Stelldichein – und sorgen Sie dabei für romantische Stimmung (Kerzen, schöne Kleidung, Parfum, Musik) und vor allem Ungestörtheit! Fragen Sie bezüglich körperlicher Störungen Ihren Arzt. Denn manche Probleme wie Erektionsstörungen, trockene Scheide oder verzögerte Ejakulation können durch bestimmte Medikamente verstärkt oder erst provoziert werden.

Zudem kann Sie Ihr Arzt bezüglich weiterer Hilfsmittel (Viagra, Gleitcreme, Vakuumpumpe, Penisring etc.) beraten. Dabei ist Scheu völlig unangebracht – Sie sind weder die ersten, noch die Einzigen, die es betrifft! Und bedenken Sie vor allem: beim Sex gibt es keine Normen. Erlaubt ist, was beiden gefällt und wodurch beide Befriedigung erfahren. Denn letztlich ist Sex nicht mehr als die schönste Nebensächlichkeit der Welt – und dennoch ist eine gute Sexualität wichtig für die Lebensqualität.

Quelle: https://www.parkinson.ch/index.php?id=341&L=946


Einleitung

Obwohl über die Sexualität von Parkinson-Patienten in den letzten Jahren zahlreiche Artikel erschienen sind und das Thema auch in Chat-Foren häufig behandelt wird, schämen sich viele Patienten die individuellen Probleme beim Arzt oder bei den Therapeuten anzusprechen. Für diese Zurückhaltung sind mehrere Faktoren verantwortlich. Einerseits wird die Sexualität bei der Patientenaufklärung wenig beachtet, andererseits existieren auch einige Fehlmeinungen, die keineswegs begründet sind. So wird z.B. allgemein angenommen, dass die Parkinson-Patienten alle höheren Alters sind.

Wir wissen aber, dass ein Anteil von ca. 8 % der Parkinson-Erkrankungen vor dem 40. Lebensjahr auftritt. In diesem Alter sind die Menschen auch nach der allgemeinen Meinung noch sexuell aktiv. Die andere weit verbreitete, aber nicht zutreffende Meinung ist, dass ältere Leute nicht mehr am Sex interessiert sind bzw. nicht mehr sein dürfen. Sexuelle Bedürfnisse sind im Alter etwas Anrüchiges. Diese und ähnliche, manchmal wohlgemeinten Annahmen führen dazu, dass der Patient und vielleicht auch der betreuende Arzt die Fragen der Sexualität der Patienten nicht anspricht.

Dennoch führen die körperlichen Symptome der Parkinson-Krankheit und die dadurch ausgelösten psychischen Hemmungen häufig auch im Sexualleben der Betroffenen zu erheblichen Schwierigkeiten. Hier ist besonders zu betonen, dass diese Probleme nicht nur die Kranken selbst, sondern auch die Partnerschaft und auch die Betreuenden erheblich betreffen.

Krankheitsbedingte sexuelle Störungen

In Bezug auf die menschlichen Sexualstörungen unterscheiden wir zwischen der Störung des sexuellen Verlangens (Libido, „sexdrive“) und der Sexualfunktion (Erregungs- und Orgasmusfähigkeit).

Es versteht sich von selbst, dass körperliche Erscheinungen wie die Unbeweglichkeit, die Steifheit der Muskulatur, die Haltungsstörungen, das Zittern und in späteren Stadien die Fluktuation dieser Symptome die sexuelle Aktivität schon im Bereich der motorischen Ausführung negativ beeinträchtigen. Hinzu kommen die eventuell alters-, krankheits- oder medikationsbedingte Erektionsschwäche der männlichen Patienten oder die Trockenheit der Scheide bei den Frauen. Weitere körperliche Symptome wie der Speichelfluss, die Inkontinenz und das starke Schwitzen können in der Partnerschaft zu psychischen Problemen führen (z.B. Ekelgefühl).

Weniger bekannt und deswegen für die Partner unverständlich ist, dass der Kranke infolge der Einschränkung der Mimik und Gestik seine Gefühle nicht mehr wie gewohnt auch mimisch, sondern nur verbal ausdrücken kann (Poker-Gesicht). Häufig ist aber auch dieser Kommunikationsweg gestört und das ständige Nachfragen und dann die Wiederholung des Gesagten zerstören die schöne Stimmung.Auch die Spontanität leidet, wie Patienten und Partner häufig beklagen. Einerseits sind der krankheitsbedingte Antriebsmangel, eventuell Schamgefühle und die häufig vorhandene depressive Verstimmung die Ursache dafür, andererseits fühlen sich die Partner den Schwankungen der Medikamentenwirkung ausgeliefert. Bei den Patienten besteht oft ein vermindertes Selbstwertgefühl; alles was bis jetzt wichtig und schön war, scheint vorbei zu sein. Und jetzt versagt man auch hier… Diese Gefühle und die Versagensängste reichen schon aus, um Auslöser psychisch bedingter Störungen der Sexualität zu sein.

Auch wird selten daran gedacht, dass die chronische Krankheit oft zu grundlegenden Veränderungen im Rollenverhältnis der Partner führen kann. Der seit 30 Jahren aktivere Partner wird infolge der Krankheit immer passiver und kann seine Initiatorrolle nicht mehr ausüben. Wenn die Partner es nicht merken und die Initiative nicht ergreifen, dann schläft die sexuelle Aktivität zum großen Leiden beider ein. Zu einem ähnlichen Erliegen der Sexualität kann die übertriebene Schonung des Patienten führen.

Auch unbegründete Ängste – die sexuelle Aktivität könne die Krankheit verschlimmern – können zum Rückzug aus dem Sexualleben führen. Das Gegenteil ist der Fall, ein harmonisches und erfülltes Sexualleben hilft, das „Zusammenleben“ mit der leider noch unheilbaren Krankheit zu meistern.

Widerspruch zwischen Verlangen und „Können“

Entgegen der oben erwähnten und häufig geäußerten Meinung schläft das sexuelle Verlangen im höheren Alter oder krankheitsbedingt im Allgemeinen nicht ein. Es entsteht also ein gravierender Widerspruch zwischen Verlangen und sexuellen Fähigkeiten. Dieser Widerspruch führt bei vielen Patienten zu einem hohen Leidensdruck und zu einer Konfliktsituation in der Partnerschaft.

Die dopaminergen Antiparkinsonmittel (L-Dopa, Dopamin-Agonisten) können sogar zu einer erheblichen Libido-Steigerung führen, leider ohne Zunahme der sexuellen Fähigkeiten. Die Libidosteigerung ist für die Partner oder die Pflegenden häufig unverständlich. Patienten beider Geschlechter schämen sich und haben erhebliche Hemmungen infolge der „verbotenen“ sexuellen Phantasien, Träume und der „verbotenen“ Selbstbefriedigung. Der seit Jahren sexuell nicht mehr aktive Patient zeigt jetzt eine praktisch ständige sexuelle Erregtheit, versagt aber ständig beim Vollziehen des Geschlechtsverkehrs. Diese missglückten Versuche sind für die Partner häufig sehr lästig, bei dem Patienten können sie zu paranoiden Entwicklungen führen (Eifersuchtswahn). Viel Fingerspitzengefühl brauchen auch die Pflegenden, wenn sie mit dem erhöhten Verlangen des Patienten konfrontiert werden, das für sie unangenehm, manchmal beleidigend oder belästigend erscheint.

Die medikamentös bedingte Steigerung des sexuellen Verlangens kann auch im Rahmen einer so genannten Impulskontrollstörung (siehe Artikel auf www.parkinson-web.de) in eine Art von „Sexsucht“ ausarten. Diese suchtartigen sexuellen Betätigungen können den Patienten und die Familie ruinieren und bedürfen dringender ärztlicher Hilfe. (Sextelefonate, Bordellbesuche, kriminelle Handlungen usw.)

Sexuelle Fragen in der Arztsprechstunde

Über diese vielfältigen sexuellen Probleme der Parkinson-Patienten und der Partner wird aber bei den Arzt-Patienten-Gesprächen am Anfang nicht viel gesagt. Die Erziehung und das Schamgefühl verhindern, über „unanständige“ Sachen zu sprechen. Später, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient tiefer geworden ist, bitten die Parkinson-Kranken oder die Angehörigen um ein Gespräch, wo die geschilderten Probleme zur Sprache kommen. Der Arzt sollte deshalb dem Patienten einfühlsam erleichtern, auch diese „schwierigen“ Fragen anzusprechen.

Die häufigste, von Männern gestellte Frage ist die Ursache der Erektionsstörung. Gleichzeitig wird um medikamentöse und mechanische Hilfsmittel gebeten. Wenn wir aber das bisher Gesagte betrachten, sind die sexuellen Probleme viel tiefgreifender und lassen sich im Allgemeinen nicht ausschließlich mit Tabletten oder Hilfsmitteln beseitigen.
Die sexuellen Probleme der an Parkinson erkrankten Frauen sind infolge der verständlichen Hemmungen noch schwieriger zu erfahren. Sie sind im körperlichen Bereich häufig durch das fehlende Feuchtwerden der Scheide (Lubrikation) bestimmt. Weil die weibliche Orgasmusfähigkeit bei entsprechender Stimulation erhalten bleibt, sind die meisten Probleme seelischer Natur.

Therapie parkinson-bedingter Sexualstörungen

Erfolg versprechend ist in der Behandlung der sexuellen Störungen von Parkinson-Patienten ein komplexes Vorgehen. Selbstverständlich ist, dass der Arzt zunächst die Medikation durchforstet. Bei Störungen der Erektion, bei verspätetem Samenerguss oder Trockenheit der Scheide kann das Absetzen der so genannten Anticholinergika hilfreich sein. Auch andere Medikamente können Erektionsschwäche (z.B. Betablocker) verursachen.

Bei krankhafter Libidosteigerung kann die Änderung der Medikation oder das gezielte Einsetzen von Gegenmitteln Linderung verschaffen. Auch eine urologische bzw. gynäkologische Untersuchung kann weiterhelfen. Eventuell kann auch eine Hormonbehandlung, aber erst nach Bestimmung der Hormone und auf ausdrückliches Anraten des Arztes, notwendig sein.

Der Arzt kann die Patienten auch im Bereich der mechanischen Hilfsmittel (Vakuumpumpe, Penis-Prothese, Gleitcreme usw.) und der erektionsfördernden Medikamente Sildenafil, Tadalafil, Vardenafil, Apomorphin, Penis-Spritze und -Salbe oder Gleitgel beraten.

Der durchaus wichtigere Teil der komplexen Therapie ist die psychologische Betreuung beider Partner. Zunächst ist das Ziel, dass beide Partner offen über ihre Probleme sprechen. Beiden Partnern müssen die krankheitsbedingten Störungen, die aus der körperlichen und psychischen Symptomatik, aus der neuen Situation, aus den veränderten Rollen der Partner herrühren, klar sein. Nur so ist es möglich, die das Sexualleben negativ beeinträchtigenden Erscheinungen aufzudecken und zu beseitigen.In den Gesprächen ist es auch möglich, neue Verhaltensweisen zu entdecken, die dann zum harmonischen, für beide Partner erfüllten Sexualleben beitragen. Es muss klar werden, dass die Sexualität auch anders gestaltet werden kann und dass die Sexualität im Kopf beginnt. Die Bedeutung der Äußerlichkeiten einerseits, wie romantische Umgebung, Musik, Kerzenschein, Sauberkeit, aufregende Kleidung, Make-up und Düfte und des gegenseitigen Verhaltens andererseits, wie liebevolle Aufmerksamkeiten, körperliche Zärtlichkeiten, genügend Zeit, ist stets zu betonen.

Auch die oben genannten Hilfsmittel können nur beim gegenseitigen Einverständnis beider Partner zur Anwendung kommen. Die Probleme der Sexualität von Parkinson-Betroffenen können also nur in diesen vertraulichen Gesprächen gelöst werden. Wenn beide Partner mitmachen, gelingt es, die Störfaktoren mit Hilfe eines auch in diesem Bereich erfahrenen Arztes, eventuell eines Sexualtherapeuten zu beseitigen, und das – für die meisten Menschen so wichtige – erfüllte Sexualleben wiederherzustellen.

Quelle: www.parkinsonweb.de | Stand August 2012 | Dr. Ferenc Fornadi, Gertrudis-Kliniken Biskirchen


Sexuelle Gesundheit

„Sexuelle Gesundheit ist das Grundrecht eines jeden Menschen, sein sexuelles und reproduktives Verhalten in Übereinstimmung mit der sozialen und persönlichen Ethik zu genießen und zu kontrollieren“, so die Weltgesundheitsorganisation, 2004. Das Zentrum für Bewegungsstörungen in Tel Aviv, ein Exzellenzzentrum der Parkinson-Stiftung, ist davon überzeugt, dass sie ihren Parkinson-Patienten in allen Lebensbereichen, einschließlich der sexuellen Gesundheit, helfen wollen.

Das Zentrum fühlt sich verpflichtet, Menschen mit Parkinson bei der Überwindung von Schwierigkeiten mit der Sexualfunktion und vielen anderen motorischen und nicht-motorischen Symptomen zu helfen. Dies ist das einzige Zentrum unter den 42 Exzellenzzentren im Netzwerk der Parkinson-Stiftung, das eine erfahrene Sexualspezialistin, Sharon Peleg Nesher, RN, MA, als integrales Mitglied seines multidisziplinären Teams hat.

Menschen mit Parkinson erleiden häufig sexuelle Funktionsstörungen (SD). Jede Kombination von Parkinson-bezogenen Symptomen wie Schmerzen, Bewegungseinschränkungen, Müdigkeit und Schlafstörungen – gepaart mit emotionalen Veränderungen wie Angst und Depression – sowie Nebenwirkungen von Medikamenten kann eine sexuelle Dysfunktion auslösen. Die Parkinson-Symptome können viele Aspekte der Sexualität beeinflussen, darunter Intimität und erotische Erfahrungen, und dadurch die Zwietracht und allgemeine Unzufriedenheit eines Paares verstärken. „Man kann sexuelle Probleme in allen Stadien der Parkinson-Krankheit spüren oder erleben, beginnend damit, dass die Symptome erst beginnen“, sagte Sharon.

Viele Menschen mit Parkinson haben Schwierigkeiten, ihre Probleme mit der Sexualität anzugehen. Im Zentrum in Tel Aviv stellt das Team fest, dass es den Patienten in der Regel peinlich ist und sie sich unbehaglich fühlen, wenn sie Sex gegenüber den Leistungserbringern des Gesundheitswesens zur Sprache bringen, wobei das Thema oft heruntergespielt wird, weil sie das Gefühl haben, dass es sich nicht um ein lebensbedrohliches Thema handelt. Auf die Frage nach der Bewertung einer Vielzahl von behindernden motorischen und nichtmotorischen Symptomen stuften Parkinson-Patienten sexuelle Funktionsstörungen jedoch auf Platz 12 von 24 der lästigsten Parkinson-Symptome ein [Politis et al, 2010].

Wie genau hilft ein Sexualtherapeut Patienten in einer Einheit für Bewegungsstörungen? Auf wöchentlicher Basis besucht Sharon das Zentrum und führt hochqualifizierte Untersuchungen der sexuellen Gesundheit von Parkinson-Patienten durch und bietet ihnen und manchmal auch ihrem Partner eine persönliche Beratung an. Die Patienten werden von den Teammitgliedern des Zentrums und anderen Fachleuten des Gesundheitswesens aus der ganzen Gemeinde an Sharon überwiesen.  

„Intimität ist ein wichtiger Aspekt des menschlichen Verhaltens, der Kommunikation, körperliche und emotionale Nähe und zwischenmenschliche Interaktion beinhaltet“, sagte Yael Manor, PhD, CCC-SLP, Koordinatorin eines multidisziplinären Teams. „Unsere Sexualtherapeutin hilft den Patientinnen, die Ursache ihrer sexuellen Dysfunktionssymptome zu verstehen und die intimen Interaktionen zwischen ihnen und ihren Partnern anzupassen.

Oft kann die Spannung, die ein Paar beim gleichzeitigen Umgang mit Parkinson und sexueller Dysfunktion erfährt, schon bei der ersten Sitzung mit einem erfahrenen Sexualtherapeuten schnell abgebaut werden. Für die erste Sitzung, bei der der Patient beurteilt wird, fallen keine Kosten an. Spätere Sitzungen werden in Israel in der Regel von der Krankenversicherung übernommen. Manchmal sehen Paare bereits in der ersten Sitzung dramatische Ergebnisse, wenn der Sexualtherapeut die Paare dazu ermutigt, sich zu berühren und zu küssen, und ihnen Wege aufzeigt, wie sie ihre Intimität wieder genießen können.

Während der Therapiesitzungen evaluiert Sharon die sexuellen Schwierigkeiten und Funktionsstörungen des Patienten, seinen aktuellen sexuellen Ausdruck und Hintergrund sowie die Auswirkungen der neurologischen Erkrankung des Patienten auf seine Sexualität. Sie schlägt auch Behandlungen für sexuelle Funktionsstörungen vor. Sie gibt einige praktische Ratschläge zur Planung der sexuellen Aktivität und zur Überwindung von motorischen Funktionseinschränkungen und gibt dem Paar einige Tipps zur Verbesserung der Intimität. Die Paare erhalten auch personalisierte Möglichkeiten, wie sie ihre Intimität auf der Grundlage ihres Lebensstils verbessern können. Bei Bedarf überweist sie einen Patienten zur weiteren Beratung und Behandlung an einen anderen Angehörigen eines Gesundheitsberufs.

„Wir bieten eine umfassende Beurteilung der optimalen sexuellen Gesundheit und tun alles, was wir können, um sexuelle Funktionsstörungen im Zusammenhang mit der Parkinson-Krankheit zu lindern, in der Hoffnung, dass es im Bereich der Bewegungsstörungen an der Tagesordnung sein wird, den Patienten zu helfen, ihre sexuelle Gesundheit zu verbessern“, sagte Dr. Tanya Gurevich, die Leiterin der Tel Aviver Abteilung für Bewegungsstörungen.

Gegenwärtig führt das Zentrum in Tel Aviv eine Studie zur taktischen Bewertung der sexuellen Bedürfnisse von Parkinson-Patienten durch. Das Team hofft, dass die Forschung Intimität und sexuelle Dysfunktion bei Parkinson-Patienten auf einer breiteren Ebene angegangen wird. „Wir hoffen, dass diese Forschung angewandt und in praktische Richtlinien und Interventionen für die gesamte Parkinson-Gemeinschaft umgesetzt wird“, sagte Dr. Gurevich.

Über Sexualität und Intimität zu sprechen, ist für die meisten Menschen nicht einfach. Die Parkinson-Krankheit selbst, zusammen mit den Nebenwirkungen und Symptomen der Medikamente, kann die sexuelle Dysfunktion verstärken. Das Zentrum in Tel Aviv arbeitet auf der Grundlage der Tatsache, dass Patienten Empfehlungen eher befolgen, wenn sie das Gefühl haben, dass ihr Arzt ihre Schwierigkeiten versteht und sich um die Ergebnisse kümmert. Bei Problemen mit Sexualität und Intimität geht der Arzt möglicherweise noch weiter und hilft den Patienten, ihre Probleme auszudrücken und ihre privatesten Momente zu besprechen.

Da nicht jeder Zugang zu einem Sexualtherapeuten hat, bei dem er sich behandeln lassen kann, ist Sharon der Meinung, dass Patienten mit ihrem Arzt über Veränderungen in ihrem Sexualleben sprechen sollten. „Die meisten Ärzte warten darauf, dass der Patient seine sexuelle Gesundheit zur Sprache bringt“, sagte Sharon. „Ihr Arzt möchte alle Aspekte Ihrer Gesundheit verstehen. Wenn Sie sich nicht sicher sind, wie Sie an das Thema herangehen sollen, beginnen Sie damit, dass Sie ein intimes und persönliches Thema besprechen möchten. Führen Sie dann auf, auf welche Weise Sie im Laufe der letzten Monate oder Jahre eine Veränderung in Ihrem Sexualleben festgestellt haben.

Das Zentrum in Tel Aviv steht in der Patientenversorgung an vorderster Front und bringt ein profundes Wissen über Sexualtherapie in das Centers of Excellence-Netzwerk ein. „Wir fühlen uns stark dafür verantwortlich, unsere Patienten in die Lage zu versetzen, ihr Grundrecht auf Liebe und geliebt zu werden und intime Beziehungen zu erleben, und ihnen Instrumente an die Hand zu geben, die die Auswirkungen der Parkinson-Krankheit auf ihr Sexualleben mindern können“, sagte Dr. Manor. „Joan Collins, das Symbol für zeitlose Jugend und Schönheit, sagte, dass Sex besser als Botox sei, um dem Altern entgegenzuwirken. Wir tun unser Bestes, um unsere Patienten zu unterstützen und ihnen dabei zu helfen, ihre Ratschläge aktiv anzuwenden“.

Tipps für ein gesundes Sexualleben von Sexualtherapeutin Sharon Peleg Nesher, RN, MA:

  • Sex ist lebenswichtig für unsere Lebensqualität. Besprechen Sie ihn regelmäßig und offen mit Ihrem Partner.
  • Warten Sie nicht darauf, sich spontan zu fühlen. Intimitätssitzungen initiieren und planen.
  • Erkunden Sie die bequemsten Positionen im Bett.
  • Sagen Sie Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin, was für Sie richtig ist.
  • Fragen Sie Ihren Arzt nach verschiedenen Arten von Medikamenten gegen Erektionsstörungen.
  • Denken Sie daran, dass Sexualität nicht nur Geschlechtsverkehr ist, sondern ein Grundbedürfnis jedes Menschen in allen Lebensphasen, unabhängig vom Alter.

Zusätzliche Ressourcen

In diesen von der Parkinson-Stiftung produzierten Videos erklärt ein Sexualtherapeut, wie sich Parkinson auf das sexuelle Funktionieren auswirkt:

YouTube player

und wie Sie mit Ihrem Arzt oder Ehepartner über sexuelle Funktionsstörungen sprechen können:

YouTube player

Um mehr über sexuelle Gesundheit und Parkinson zu erfahren: www.parkinson.org/understanding-parkinsons/living-well/Sexual-Health.

Artikel von:
Sharon Peleg Nesher, RN, MA, Sexualberaterin
Yael Manor, PhD CCC-SLP, Koordinatorin eines multidisziplinären Teams
Tanya Gurevich, MD, Neurologin und MDU-Direktorin
https://www.parkinson.org/blog/centers-of-excellence/tel-aviv-movement-disorders-center

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