Prof. Thomas Gasser, Vorstandsvorsitzender des Hertie Institut für klinische Hirnforschung (HIH) und Leiter der Abteilung „Neurologie mit Schwerpunkt Neurodegenerative Erkrankungen“ am Universitätsklinikum Tübingen (UKT), erhält den mit drei Millionen US-Dollar dotierten „2024 Breakthrough Prize in Life Sciences“ gemeinsam mit einer Wissenschaftlerin und einem Wissenschaftler aus den USA für die Entdeckung genetischer Risikofaktoren der Parkinson-Erkrankung.

Der „Breakthrough Prize“ wird in verschiedenen Fachgebieten vergeben und gilt als die weltweit höchstdotierte Auszeichnung in den Natur- und Lebenswissenschaften. Thomas Gasser, Vorstandsvorsitzender des Hertie-Instituts für klinische Hirnforschung an der Universität Tübingen, ist zudem ärztlicher Direktor der Abteilung Neurologie mit Schwerpunkt Neurodegenerative Erkrankungen am Universitätsklinikum Tübingen und forscht in leitender Funktion am Tübinger Standort des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE).

YouTube player
Das Video zum Breakthrough Prize auf Youtube:

Hören Sie hier ein Interview von Thomas Gasser mit dem SWR2https://www.swr.de/swr2/wissen/weltweit-groesster-wissenschaftspreis-geht-an-tuebinger-forscher-gasser-100.html

Bei einer Parkinson-Erkrankung gehen im Gehirn bestimmte Nervenzellen zugrunde, die den Botenstoff Dopamin produzieren. Der daraus folgende Dopaminmangel verursacht Bewegungsstörungen wie Zittern, verlangsamte Bewegungen, Muskelsteifheit und Gleichgewichtsstörungen. Im fortgeschrittenen Krankheitsstadium entwickeln manche Patientinnen und Patienten auch eine Demenz. Weshalb diese Gehirnzellen absterben, ist bis heute nicht restlos geklärt. Thomas Gasser sowie Ellen Sidransky und Andrew Singleton, letztere forschen beide in den USA, fanden in den 2000er-Jahren heraus, dass Mutationen (Abweichungen von der Normalform) in bestimmten Erbanlagen das Risiko für Parkinson erhöhen, einige Mutationen die Erkrankung sogar unweigerlich auslösen. Der „Breakthrough Prize in Life Sciences“ würdigt diese Pionierleistungen: Sie haben das Verständnis der molekularen Mechanismen der Parkinson-Erkrankung erweitert und den Weg für Studien bereitet, in denen aktuell neue Therapie-Konzepte untersucht werden. Diese bahnbrechenden Befunde über genetische Risikofaktoren für Parkinson sind teils unabhängig voneinander, teils in Zusammenarbeit der preisgekrönten Forschenden entstanden.

Schadhafte Enzyme

Die besagten Mutationen betreffen die Gene LRRK2 (ausgesprochen „LARK2“) und GBA1. „Jedes dieser Gene enthält den Bauplan für ein bestimmtes Enzym. Durch die Mutationen funktionieren diese Enzyme nicht optimal. Im Endeffekt richten sie Schaden an“, erläutert Thomas Gasser. „Die Folgen sind gravierend. Denn LRRK2 ist an diversen Vorgängen innerhalb von Nervenzellen beteiligt, es sorgt unter anderem dafür, dass die Kraftwerke der Zellen korrekt funktionieren und Energie bereitstellen. Andererseits sind sowohl LRRK2 als auch GBA1 wichtig für das Recycling und die Beseitigung von Abfallprodukten des zellulären Stoffwechsels.“ Die beschriebenen Genmutationen sind zum einen für die erbliche („familiäre“) Form der Parkinson-Erkrankung relevant, bei der die betroffenen Personen in jeder Familiengeneration unweigerlich erkranken – häufig schon vor dem 50. Lebensjahr. Zum anderen sind manche dieser Erbgutvarianten auch Risikofaktoren für die weitaus häufigere „sporadische“ Form von Parkinson, die typischerweise im Alter ab 60 Jahren auftritt und deren Auslöser sich nicht eindeutig benennen lassen.

Aussichten für die Therapie

Parkinson ist bislang nicht heilbar. Die Symptome lassen sich allerdings für einen gewissen Zeitraum recht gut behandeln und abmildern. Häufig ist es sogar möglich, die Auswirkungen der Erkrankung über Jahre hinweg soweit in Schach zu halten, dass die betroffenen Personen in ihrem Alltag nur wenig eingeschränkt sind. „Die derzeit verfügbaren Therapien wirken allerdings nur symptomatisch und setzen nicht bei den Wurzeln der Erkrankung an. Deshalb können sie die Abbauprozesse im Gehirn nicht aufhalten und verlieren früher oder später ihre Wirkung“, so Gasser. „Aus unseren Befunden über die Gene LRRK2 und GBA1 ergeben sich jedoch Ansatzpunkte für Behandlungen, die auf molekulare Ursachen abzielen und denen verschiedentlich nachgegangen wird. Ich bin zuversichtlich, dass es eines Tages möglich sein wird, den Ausbruch der Parkinsonkrankheit zu verzögern oder gar ganz zu verhindern oder zumindest ihr Fortschreiten zu verlangsamen.“ 

[…]

Stimmen zur Preisvergabe

„Thomas Gasser steht seit langem an der Weltspitze der Forschung und hat zu einem besseren Verständnis der Parkinsonkrankheit und anderer neurodegenerativer Erkrankungen beigetragen,” so Prof. Dr. Pierluigi Nicotera, Vorstandsvorsitzender des DZNE. „Prof. Gasser ist eine herausragende Führungspersönlichkeit, er hat die Entwicklung vieler klinisch tätiger Wissenschaftler gefördert und seine Arbeit war entscheidend für die Konzeption neuer, personalisierter Behandlungen, die in Zukunft helfen werden, die Parkinson-Erkrankung zu besiegen.“

Internationale Zusammenarbeit

Die Mutationen in den Genen LRRK2 und GBA1 zählen zu den häufigsten genetischen Risikofaktoren für Parkinson, die inzwischen bekannt sind. Fachleute vermuteten jedoch, dass es weitere – bislang unentdeckte – gibt. Das Tübinger Team um Gasser beteiligt sich daher an internationalen Forschungsprojekten, in denen das Erbgut tausender Menschen mit Parkinson untersucht wird. „Manche der genetischen Risikofaktoren, die man inzwischen gefunden hat, sind nicht gleichmäßig verteilt. Weltweit betrachtet gibt es Unterschiede in ihrer Häufigkeit zwischen Bevölkerungsgruppen und Regionen. Solche Befunde sind wichtig für die Entwicklung individualisierter Therapien und lassen sich nur in internationaler Zusammenarbeit erreichen“, so Gasser. „Davon versprechen wir uns Erkenntnisse nicht nur über die familiäre Form von Parkinson, sondern auch über die nicht-erbliche, also die sogenannte sporadische Variante. Unsere Untersuchungen zeigen, dass auch hier genetische Faktoren eine wichtige Rolle spielen. Sie sind dann zwar nicht alleinbestimmende Ursachen für Parkinson, aber dennoch bedeutsam zum Beispiel für das Krankheitsrisiko, das Erkrankungsalter oder den Schweregrad der Erkrankung.“

[…]

Über den Breakthrough Prize:

Der Breakthrough Prize wurde 2012 von den Sponsoren Sergey Brin, Priscilla Chan & Mark Zuckerberg, Julia & Yuri Milner und Anne Wojcicki begründet und ist der weltweit höchstdotierte internationale Wissenschaftspreis, der jährlich verliehen wird. Die feierliche Verleihung der aktuellen Preise findet am 13. April 2024 in Los Angeles (USA) statt. https://breakthroughprize.org

Weitere Informationen:

Den vollständigen Artikel vom Hertie Institut an der Uni Tübingen finden Sie hier: https://www.hih-tuebingen.de/de/aktuelles/hih-news/beitrag/?tx_news_pi1%5Bnews%5D=2382&cHash=448d9ef9120c849a3bf3d751f71dd5bc

Lesen Sie hier die Pressemitteilung

Schauen Sie hier das Video zum Breakthrough Prize auf Youtubeyoutu.be/iu0hedCdj8c

Erfahren Sie mehr über die Forschung von Prof. Gasser am HIH hier

Kontakt:

Prof. Dr. Thomas Gasser
Zentrum für Neurologie
Hertie-Institut für klinische Hirnforschung
Abteilung Neurologie mit Schwerpunkt Neurodegenerative Erkrankungen
Hoppe-Seyler-Straße 3
72076 Tübingen

Email: thomas.gasser@uni-tuebingen.de

Pressekontakt:

Silke Dutz
Hertie-Institut für klinische Hirnforschung
Otfried-Müller-Str. 27
72076 Tübingen

Telefon: +49 7071 29-88802
Email: silke.dutz@medizin.uni-tuebingen.de