Ultraschneller Signaltransfer

Ein Organismus ist auf eine schnelle und robuste interne Kommunikation seiner Zellen und Organe angewiesen. Im zentralen Nervensystem, wo rasche Reaktionen auf Sinneseindrücke erfolgen, muss die schnelle Weitergabe von Informationen garantiert sein. Die schnellste interzelluläre Kommunikation erfolgt über elektrische Signale (Aktionspotentiale), die sich entlang von Nervenzellmembranen fortpflanzen. Getragen werden diese Signale von spannungsgesteuerten Ionenkanälen. Diese Kanalproteine befinden sich in der Zellmembran und ermöglichen den Strom von Ionen in die Zelle hinein oder aus der Zelle heraus. Durch den Ionenstrom werden elektrische Signale generiert, aber auch Prozesse im Zellinneren in Gang gesetzt. Ein wichtiger Vertreter des schnellen Informationstransports ist der spannungsgesteuerte Kalziumkanal Cav2, der durch Aktionspotentiale aktiviert wird und den Einstrom von Kalziumionen (Ca2+) in das Zellinnere ermöglicht. Ca2+ fungiert hier als sekundärer Botenstoff. Über die Ionen wird eine Vielzahl von Prozessen gesteuert, darunter die für die Informationsübertragung wichtige Transmitterausschüttung an Synapsen, die Muskelkontraktion, das neuronale Wachstum oder die Genexpression. Alle diese Signalprozesse benötigen für ihre zuverlässige Aktivierung eine ausreichend hohe Kalziumkonzentration (mehr als 10 µmol/L), wie sie nur in unmittelbarer Nähe des Kanals, in der lokalen ‚Nano-’ oder ‚Mikrodomäne’ des Kalziumkanals, auftritt. 

Methoden

Die proteomische Analyse der Proteine in der Nanodomäne des Cav2-Kanals im Gehirn von Nagern erbrachte eine große Anzahl von Proteinen unterschiedlichster Art und Funktion [1]. Darauf aufbauend wurden – mithilfe biochemischer, proteomischer, zellbiologischer und elektrophysiologischer Methoden – mit den beiden Enzymen Stickstoffmonoxidsynthase (NO-Synthase, NOS1) und Proteinkinase C beta1 (PKCb1) zwei Interaktionspartner näher charakterisiert [2]. Beide Enzyme interagieren direkt mit Cav2-Kanälen, was sich biochemisch im Zellkultursystem mit einem antikörpergestützten Interaktionsassay (Affinitätsreinigung) nachweisen ließ. Die Mengen der beteiligten Proteine wurden durch quantitative, massenspektrometrische Analysen ausgelesen und ins Verhältnis gesetzt (Abb. 1).

Abb. 1: Ergebnisse der Affinitätsreinigung mit Cav2-, PKCb- und NOS1- Antikörpern aus Membranpräparationen von CHO-Zellen, die Cav2 allein oder Cav2 und das jeweilige Enzym (+/- Enzym) enthalten. Die Enzyme werden in Cav2-Affinitätsreinigungen ebenso mitgereinigt wie Cav2 in den Enzymreinigungen mitgereinigt wird.

Fluoreszenz- Reportersystem

Für die funktionelle Charakterisierung der Cav2-NOS1-Komplexe wurde ein Fluoreszenz-Reportersystem für Stickstoffmonoxid (NO) eingesetzt [3]. Der Nachweis des produzierten NO erfolgt über seine Bindung an das Enzym Guanylatzyklase (GK), ein Vorgang der im Körper auf natürliche Weise stattfindet. Im Assay wird eine GK eingesetzt, die mit zwei Fluoreszenzmolekülen, CFP und YFP, ausgestattet ist, die als Energiedonor und -akzeptor dienen. Nach Bindung von NO an die GK wird Guanosintriphosphat (GTP) in zyklisches Guanosinmonophophat (cGMP) umgewandelt. cGMP induziert bei geeigneter Lichtanregung ein Förster 

Resonanzenergietransfer-Signal (FRET-Signal) zwischen Donor CFP und Akzeptor YFP, das sich als Lichtemission messen lässt. Wenn die Cav2-Kanäle durch eine Depolarisation (von –80 mV auf +50 mV) geöffnet werden, aktiviert der so ausgelöste Ca2+-Einstrom das Enzym NOS1. Abbildung 2 zeigt die Produktion von NO im Reporterassay, die durch die Intensität des FRET-Signals gemessen wird.

Abb. 2: (a) Darstellung des NO-Nachweises in CHO-Zellen. Kombination von elektrophysiologischen Messungen und FRET-Signalen. Erklärung der Methode im Text. (b) FRET-Signal, das von Cav2-NOS1-Komplexen bei Ca2+-Einstrom hervorgerufen wird.

Patch-clamp-basiertes Verfahren

Die Analyse der depolarisationsgesteuerten Synthese von NO durch Cav2-NOS1-Komplexe wurde durch eine weitere Methode ergänzt. Dieses patch-clamp-basierte Verfahren nutzt mit dem BKCa-Kanal einen physiologischen Effektor, der sich als sensitiver NO-Sensor herausstellte. BKCa ist ein Ca2+-abhängiger Kaliumkanal, der den Ca2+-Einstrom durch Cav2 und die herrschende Membranspannung in einen relativ großen Kaliumausstrom aus der Zelle übersetzt [4], der sich elektrophysiologisch gut messen lässt. BKCa-Kanäle lassen sich unter zellulären Bedingungen durch NO sensitivieren, d. h. ihre Ca2+-Bindung und damit ihre Aktivierung werden erhöht (Abb. 3a). Mechanistisch wird dies durch die Bindung von NO an die Häm-Gruppe des BKCa-Kanals vermittelt. 

Wenn in Kulturzellen alle drei Proteine Cav2, BKCa und NOS1 vorhanden sind, lässt sich die NO-Produktion der Cav2-NOS1-Komplexe über den BKCa-Kanal auslesen. (Abb. 3b). 

Abb. 3: (a) Aktivierung des BKCa-Kanals in Abhängigkeit von der Kalziumkonzentration [Ca2+]i in der CHO-Zelle in Anwesenheit (gefüllte Symbole) oder Abwesenheit (leere Symbole) des Enzyms NOS1. (Kleines Bild) Normalisierte Leitfähigkeit (g/gmax) von BKCa bei 60 mV in Abhängigkeit von der Ca2+-Konzentration ohne (leere Symbole) und mit (gefüllte Symbole) NOS1. (b) Spannungsprotokoll (Oben), dem eine CHO-Zelle alle 5 s ausgesetzt wurde, die Cav2, NOS1 und BKCa enthält. Stromantworten der BKCa-Kanäle (unten), die zu Beginn (5 s, grau) oder nach einer Reihe von Pulsen (125 s, rot) aufgenommen wurden. (Kleines Bild) Maximalstromamplituden während der C-Pulse (Cp) oder der T-Pulse (Tp). Die Pfeile verweisen die Amplituden der beiden gezeigten Stromantworten.

Ein Aktivierungspuls (C-Puls) öffnet die Kanäle, ohne jedoch Ca2+ in die Zelle strömen zu lassen, da die Triebkraft für Ca2+ fehlt. Ein nachfolgender sehr kurzer Spannungspuls (0,8 ms) auf -40 mV erhöht die Triebkraft für Ca2+, das daraufhin in die Zelle strömt und die BKCa-Kanäle während des T-Pulses in weniger als einer Millisekunde aktiviert. Zu beachten ist, dass nur diejenigen BKCa-Kanäle aktiviert werden, die sich in geringer Entfernung (ca. 10 nm) zu den Cav2-Kanälen befinden, da sie für die Öffnung eine Mindestkonzentration an einströmendem Ca2+ benötigen. Wenn die BKCa-Kanäle durch die Bindung von NO sensitiviert werden, erweitert sich der Abstand der aktivierbaren BKCa-Kanäle zu Cav2 auf einige 10 nm; es können so auch Kanäle aktiviert werden, die weiter entfernt liegen und nicht direkt an Cav2 gebunden sind. Je mehr BKCa-Kanäle via NO sensitiviert werden, desto größer wird der Kaliumstrom. Wie Abbildung 3 zeigt, ist dazu eine Serie von Depolarisationen nötig.

Dasselbe Verfahren wurde auch zur Analyse von Cav2-PKCb1 Komplexen verwendet. Die Proteinkinase wird durch Ca2+ aktiviert und sensitiviert BKCa-Kanäle ebenfalls für Ca2+. Es zeigte sich, dass PKCb1 die Verstärkung des Stroms enzymatisch vermittelt [2]. 

Fazit

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass spannungsgesteuerte Kalziumkanäle Cav2 zusammen mit den Enzymen NOS1 oder PKCb1 als molekulare Einheiten wirken, die elektrische Signale (von weniger als 1 ms Dauer) zuverlässig in enzymatische Aktivität übersetzen. Die so erzeugten Enzymprodukte wirken als sekundären Botenstoffe, die über die Cav2-Nanodomäne hinauswirken und so Signalwege anstoßen, Proteine beeinflussen und physiologische Veränderungen im ganzen Körper bewirken können.

Autoren

C. S. Müller1, C. E. Constantin1, B. Fakler1

Zugehörigkeiten

1 Physiologie II, Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg, Deutschland 

Kontakt

Catrin S. Müller

Physiologie II

Albert-Ludwigs-Universität

Freiburg, Deutschland

catrin.mueller@physiologie.uni-freiburg.de

Referenzen

[1] Müller CS, et al.: Quantitative proteomics of the Cav2 channel nano-environments in the mammalian brain. Proc Natl Acad Sci USA 107:14950–14957 (2010) 

doi: 10.1073/pnas.1005940107

[2] Constantin CE, et al.: Identification of Cav2–PKCβ and Cav2–NOS1 complexes as entities for ultrafast electrochemical coupling. Proc Natl Acad Sci USA. 114:5707-5712  (2017) doi: 10.1073/pnas.1616394114. 

[3] Sato M, Hida N, Umezawa Y.: Imaging the nanomolar range of nitric oxide with an amplifier-coupled fluorescent indicator in living cells. Proc Natl Acad Sci USA 102: 14515–14520 (2005) doi: 10.1073/pnas.0505136102 

[4] Berkefeld H, et al.: BKCa-Cav channel complexes mediate rapid and localized Ca2+-activated K+ signaling. Science 314:615–620 (2006) doi: 10.1126/science.1132915