Parkinson, die neue Volkskrankheit
Außerordentlich gut besucht: Der Parkinson-Tag im Waiblinger Bürgerzentrum mit vielen Experten-Vorträgen
Von unserer Mitarbeiterin Heike Rommel
Rems-Murr. Bewegung: Das ist eine der besten vorbeugenden Maßnahmen zur Verringerung des Parkinson-Risikos. Manche sprechen bei Parkinson schon von einer Volkskrankheit – der Info-Tag dazu im Waiblinger Bürgerzentrum war entsprechend gut besucht.
Großer Nachholbedarf wegen der Pandemie bestand am Samstag beim Infotag des Landesverbandes der deutschen ParkinsonVereinigung: Der Welfensaal des Bürgerzentrums war voll besetzt, als Experten Vortrage über Medikamente, Therapien, Leistungen der Krankenkassen, aber auch über die Fahrtauglichkeit hielten.
Der Hirnstimulator als Gegenstück zum Herzschrittmacher
Professor Dr. Daniel Weiß von der Uniklinik Tübingen widmete sich dem mittlerweile schon als Volkskrankheit bezeichneten Morbus Parkinson von der medikamentösen Seite her. Er stellte Präparate zur Dopaminregulierung vor und veranschaulichte auf der Leinwand, wie Himstimulatoren und Pumpensysteme wirken. Beide bonnen Patienten im fortgeschrittenen Stadium der Morbus Parkinson Krankheit helfen – Hirnstimulatoren werden heutzutage in Tübingen schon fast so routinemäßig eingesetzt wie Herzschrittmacher.
Was tun, wenn der korper plotzlich unkontrollierbare Bewegungen macht? .Viele kennen diese Welt nicht“ erklärte Professor Dr. Andres Ceballos-Baumann von der Schön-Klinik München, der beim morgendlichen loggen in der Stauferstadt schon hinter sich hatte, was er im Waiblinger Bürgerzentrum jedem Patienten riet: Bewegung
„Sechs Stunden Bewegung pro Woche“ reduziere das Parkinson-Risiko um bis zu 40 Prozent. stellte der Mediziner fest.
Am Beispiel des Schauspielers Ottfried Fischer, der sich mit Parkinson geoutet hat, zeigte der Neurologe auf, wie der Bewegungsapparat auch medikamentös verbessert werden kann.
Was Erkrankte am meisten störe, berichtete er aus der Praxis, seien Wirkungsschwankungen von Medikamenten, die zum Beispiel zur „Tagesschläfrigkeit“ führen, die dann beim Autofahren zum Problem werden könnte.
Parkinson und Auto fahren: Die Rolle der Angehörigen
Zum Thema Fahrtauglichkeit trat Dr. Thomas Trottenberg vom Rems-Murr-Klinikum Winnenden ans Rednerpult. Patienten selbst wollten meist nicht so gerne aufs Autofahren verzichten. Der jeweilige Arzt sehe sich da in seiner Sicherheitsaufklärungspflicht – die aber mit der ärztlichen Schweigepflicht kollidiere. Hier seien deshalb Angehörige gefordert, wenn sie feststellen, dass es vielleicht doch besser ist, einen Erkranksten nicht mehr Auto fahren zu lassen.
Um die Angehörigen kümmerten sich beim Infotag Bärbel und Wolfgang Schelling aus Waiblingen. Sie gaben Tipps zu Leistungen aus der Pflegekasse. Karin Krüger vom Landesverband der deutschen ParkinsonVereinigung referierte über das Thema Schwerbehinderung.
Mit in den Patientenalltag nahm die Logopädin Heidemarie Pfeiderer die Besucher. Sie führte im Zuge ihres Referats vor, wie sie Parkinson-Patienten helfen kann, die sich lauter hören, als sie sprechen, und deshalb von ihrem direkten Umfeld oft erst einmal zum Ohrenarzt geschickt werden.
Die Besucher nutzten am Samstag vor allem die Gelegenheit, mit den Referenten und mit Leidensgenossen ins Gespräch zu kommen. Einige Patienten waren bei den vortragenden Professoren auch schon im Krankenhaus.
Zu Hause müssen die Betroffenen mit Ihrem niedergelassenen Neurologen zurechtkommen, WO die Behandlung manchmal nicht den Erfolg bringt, den sie sich wünschen. Viele wollen zum Spezialisten und nehmen defir weite Fahrten in Kauf, wie den Fragerunden mit den Referenten zu entnehmen war.
Insgesamt wurde recht offen über den Umgang mit Morbus Parkinson gesprochen, von dem etwa zwei Prozent aller über 65jährigen Deutschen betroffen sind. Wichtig ist Parkinson-Patienten auf der Suche nach der richtigen Therapie auch der Erfahrungsaustausch in Selbsthilfegruppen, die sich jedoch in den zwei Corona-Jahren nicht treffen konnten.
Quelle: Waiblinger Kreiszeitung vom Montag, dem 11. Juli 2022