Ernährung im Krankenhaus: Transformation ist notwendig

Heute achten die wenigsten Krankenhäuser darauf, ihren Patienten und ihren Mitarbeitenden gesunde Speisen anzubieten. Ärztinnen und Ärzte können die Transformation der Ernährung im Krankenhaus hin zu gesünderen und zugleich klimafreundlichen Gerichten anstoßen.

Aufgabe der Ärztinnen und Ärzte ist es, an der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Gesundheit der Menschen mitzuwirken.“ Der erste Paragraf der ärztlichen Berufsordnung verdeutlicht, dass die Ärzteschaft nicht nur Verantwortung für die individuelle Gesundheit ihrer Patientinnen und Patienten trägt, sondern sich auch aktiv gegen den Klimawandel und für die Einhaltung der planetaren Grenzen einsetzen sollte. Die planetaren Grenzen beschreiben, in welchem Bereich sich die Menschheit ohne existenzbedrohende Eigengefährdung bewegen kann (1).

Unser Ernährungssystem ist mitverantwortlich für das Überschreiten beziehungsweise das drohende Überschreiten von mindestens vier dieser sechs planetaren Grenzen: Klimawandel, Biodiversitätsverlust, Landnutzungsänderung sowie Phosphor- und Stickstoffkreislauf (2). Auch die Entstehung und Zunahme von chronischen Erkrankungen, Antibiotikaresistenzen und Zoonosen ist maßgeblich durch unser Ernährungsmuster beeinflusst. Insbesondere der hohe Konsum tierischer Lebensmittel spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Mehr pflanzliche Speisen

Eine nachhaltige und gesunde Ernährung nimmt somit eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung der größten Herausforderungen unserer Zeit ein. Die aktuelle Verpflegung in deutschen Krankenhäusern steht dabei oftmals im Widerspruch zum Genesungsauftrag der Kliniken. So ist ein Großteil der Klinikspeisen nachteilig für die individuelle und die planetare Gesundheit. Während das gesamte deutsche Gesundheitswesen 5,2 Prozent der nationalen Emissionen verursacht und die Krankenhäuser 3,1 Prozent (34), ist die Verpflegung für etwa 17 Prozent der Klimawirkung eines Krankenhauses verantwortlich (5). Hauptgrund dafür ist der hohe Einsatz tierischer Lebensmittel.

Aktuell gilt die „Planetary Health Diet“ international als nachhaltige Referenzernährung. Dieses Konzept wurde von der EAT-Lancet-Kommission entwickelt und 2019 im The Lancet publiziert. Es sieht eine pflanzenbasierte bis rein pflanzliche Ernährung mit dem Fokus auf Obst, Gemüse, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten und Nüssen vor (Kasten). Fleisch- und Wurstwaren, hochverarbeitete Lebensmittel und zugesetzte Zucker müssen demnach deutlich reduziert werden (6). Die globale Anpassung der Ernährungsgewohnheiten entsprechend der Planetary Health Diet stellt einen Lösungsansatz dar, der die stetig wachsende Weltbevölkerung innerhalb der ökologischen Belastungsgrenzen gesundheitsfördernd ernähren könnte.

Krankenhäuser können und sollten bei einer entsprechenden Ernährungstransformation als Vorbilder vorangehen. Dies kann besonders dann gelingen, wenn der Vorstand dem Thema einen hohen Stellenwert zuschreibt. Es kann aber auch durch andere Mitarbeitende, zum Beispiel Ärztinnen und Ärzte, auf die Agenda gesetzt werden. Um nachhaltigen Erfolg bei einem so umfangreichen Projekt zu haben, sollte zunächst ein interdisziplinäres Team gebildet werden, in dem alle Berufsgruppen bezüglich der Krankenhausverpflegung vertreten sind. Gemeinsam werden dann Visionen und Ziele entwickelt. Nach einer Analyse der Ist-Situation sollten konkrete Maßnahmen geplant und nach und nach umgesetzt werden. Eine kontinuierliche Evaluation ist hilfreich, um die Maßnahmen gegebenenfalls anpassen zu können.

Weniger Lebensmittelabfälle

Der mit Abstand wichtigste Schritt zu einer möglichst umweltfreundlichen Ernährung ist die Stärkung des pflanzlichen Angebots und die Reduktion tierischer Produkte. Auch die Reduktion von Lebensmittelabfällen kann eine große Rolle spielen. Erst danach sollte die Umstellung auf regionale, saisonale und gegebenenfalls biologisch produzierte Lebensmittel erfolgen. Für die Krankenhausküche bedeutet das in erster Linie, dass neue und attraktive pflanzliche Gerichte entwickelt beziehungsweise bereits existierende Gerichte optimiert werden sollten – zum Beispiel durch eine Reduktion des Fleischanteils. Gleichzeitig hat immer der Geschmack die höchste Priorität. Nur so kann die Akzeptanz der Konsumentinnen und Konsumenten sichergestellt werden. Durch Informationsmaterialien oder ein sogenanntes Nudging – also das Anstoßen von Entscheidungen – kann das Konsumverhalten zudem gelenkt werden. Dazu zählt zum Beispiel bereits die simple Erhöhung der Anzahl pflanzlicher Gerichte oder eine Änderung der Menüreihenfolge. Die Erfahrung zeigt: Wenn pflanzliche Gerichte als „Gericht 1“ ganz oben in der Menüliste stehen, werden sie häufiger bestellt. Relevant ist zudem die Vermeidung von Begriffen wie „vegan“ oder „vegetarisch“ und eine eher genuss- und herkunftsorientierte Benennung der Gerichte (789). Die gemeinnützige Organisation Physicians Association for Nutrition (PAN) unterstützt Krankenhäuser in Deutschland und der Schweiz im Rahmen eines Pilotprojekts bei der Ernährungsumstellung und bietet diesbezüglich weitere Beratung und Vernetzung an. Einzelne Kliniken haben sich bereits auf den Weg gemacht, unter anderem die Universitätsmedizin Essen, in der das Thema Ernährung in der Projektgruppe „Green Hospital Food“ unter der Leitung von Dr. med. Kristin Hünninghaus am Zentrum Naturheilkunde und Planetare Gesundheit ganzheitlich angegangen wird, das von Prof. Dr. med. Gustav Dobos geleitet wird.

Ein Hindernis bei der Transformation der Ernährung im Krankenhaus ist das geringe Budget, das für das Essen zur Verfügung steht. Aktuell betragen die Warenkosten einer Umfrage zufolge 5,32 Euro pro Tag und Patient (10). Mit diesem Betrag werden drei Hauptmahlzeiten – Frühstück, Mittag- und Abendessen – sowie Zwischenmahlzeiten finanziert. Zugleich müsste gerade in Krankenhäusern vermehrt darauf geachtet werden, dass vulnerable Patientinnen und Patienten die Speisen erhalten, die ihre Genesung unterstützen.

Ausgaben sinken

Dabei ist zu beachten, dass pflanzliche Gerichte nicht teurer sind als tierische – vor allem, wenn vermehrt auf Grundnahrungsmittel wie Hülsenfrüchte gesetzt wird. Kosten können sogar deutlich durch die Einsparung von Fleisch und die Reduktion von Lebensmittelabfällen eingespart werden. Eine bessere Finanzierung des Krankenhausessens würde allerdings Spielraum für die Ressourcen bieten, die eine Umstellung auf ein gesünderes Essen benötigt, zum Beispiel mehr personeller Aufwand durch frische Zubereitung. Zudem würde sie spätestens bei einem vermehrten Einkauf regionaler, saisonaler und biologisch produzierter Produkte notwendig.

Dr. med. Kristin Hünninghaus
Universitätsmedizin Essen

Niklas Oppenrieder
Physicians Association for Nutrition

Literatur im Internet:
www.aerzteblatt.de/lit1123
oder über QR-Code. 

Planetary Health Diet

Die EAT-Lancet-Kommission setzte sich aus 37 internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen zusammen. Den Vorsitz hatte unter anderem Prof. Dr. Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Das Ziel war es, eine wissenschaftliche Grundlage für einen Wandel des globalen Ernährungssystems zu erarbeiten. „Essen ist der stärkste Hebel, um die menschliche Gesundheit und die ökologische Nachhaltigkeit zu optimieren“, heißt es in dem Bericht der Kommission.

Die Kommission hat mit der „Planetary Health Diet“ einen Referenzrahmen für eine gesunde und klimafreundliche Ernährung vorgelegt. Dabei hat sie die einzelnen Lebensmittelgruppen – bezogen auf eine Energieaufnahme von 2 500 Kilokalorien pro Tag – auf einen Speiseplan heruntergebrochen und Mittelwerte für die jeweiligen Gruppen benannt:

  • Getreide: 232 g
  • Stärkehaltiges Gemüse: 50 g
  • Anderes Gemüse: 300 g
  • Früchte: 200 g
  • Milchprodukte: 250 g
  • Fleisch: 14 g
  • Geflügel: 29 g
  • Eier: 13 g
  • Fisch: 28 g
  • Hülsenfrüchte: 75 g
  • Nüsse: 50 g
  • Ungesättigte Fette: 40 g
  • Gesättigte Fette: 11,8 g
  • Zucker: 31 g

Zugleich hat die Kommission eine „radikale Transformation“ des globalen Ernährungssystems angemahnt. „Ohne Maßnahmen werden die Kinder von heute einen Planeten erben, der stark degradiert ist und in dem ein Großteil der Bevölkerung in zunehmendem Ausmaß an Unterernährung und vermeidbaren Krankheiten leidet“, heißt es in dem Bericht.

Quelle: https://www.aerzteblatt.de/archiv/230342/Ernaehrung-im-Krankenhaus-Transformation-ist-notwendig