Forscher sind sich einig: Wer gut in Gruppen integriert ist, lebt gesünder. Aber wie führt man gute freundschaftliche Beziehungen? Stuttgart. Spätestens seit der Coronapandemie wissen wir: Die Verbundenheit mit anderen Menschen tut uns gut. Doch was vielen Menschen nicht klar ist: Soziale Bande sind für unsere Gesundheit mindestens genauso wichtig, wie nicht zu rauchen, und bedeutsamer, als Sport zu treiben. „Mittlerweile zeigen Hunderte von Studien: In Gruppen sozial integriert zu sein, wirkt sich positiv auf die Gesundheit aus“, sagt der Sozialpsychologe Rolf van Dick von der Uni Frankfurt. „Man hat eine höhere Lebenszufriedenheit, kann besser mit Stress umgehen und hat seltener einen Burn-out. Wer sozial gut eingebunden ist, lebt statistisch auch länger. Das macht eine Übersichtsarbeit der Psychologin Julianne Holt-Lunstad von der US-amerikanischen Brigham Young University deutlich. Sie und ihre Kollegen werteten rund 150 Studien mit insgesamt mehr als 300 000 Menschen aus. Die Forscher verglichen die Sterberate von Menschen mit stärkeren sozialen Beziehungen mit denen von Personen mit schwächeren. Dabei zeigte sich: Menschen mit den besseren sozialen Beziehungen hatten eine vergleichsweise eineinhalb mal größere Überlebenschance. Die sozialen Bande wirkten sich auf das Sterberisiko genauso stark aus, wie zum Beispiel das Rauchen aufzugeben. Ihr Einfluss war demnach sogar höher als die Wirkung von anderen Faktoren mit Gesundheitseffekt wie körperliche Aktivität. Lesen Sie aus unserem Plus-Angebot: Wie uns der Kopf im Alter jung hält Der Mensch sei nun mal ein soziales Wesen, sagt auch der Psychologe Andreas Mojzisch von der Uni Hildesheim. Das habe evolutionäre Gründe. Tatsächlich wären wir, auf uns alleine gestellt, vor Hunderttausenden von Jahren komplett verloren gewesen. „Für den Menschen ist es noch heute im Grunde die schlimmste Strafe, von Gruppen ausgeschlossen zu werden“, sagt Mojzisch. Wenn wir uns nicht Gruppen zugehörig fühlen oder die Zugehörigkeit zu einer Gruppe verlieren wie durch den Verlust des Arbeitsplatzes, habe das schlimme Folgen „Das führt zu Stress und Ängsten bis hin zu Depressionen.“ Selbst in unseren geistigen Fertigkeiten spiegelt sich wider, wie stark unsere sozialen Bande sind. Das fand die Psychologin Catherine Haslam von der University of Queensland in Brisbane heraus. Teil von Gruppen zu sein, wirkte sich positiv auf das Gedächtnis von Menschen aus. Am meisten machten sich soziale Bande bei älteren Menschen bemerkbar. Im Schnitt war ein 80-Jähriger mit starken sozialen Banden mental rüstig wie ein 70-Jähriger. Der enge Kontakt zu einer Einzelperson wie dem Partner zeigte dagegen keine Wirkung. Lesen Sie aus unserem Plus-Angebot: Wie uns die erste Liebe prägt Doch wie genau schaffen es Gruppen, so starken Einfluss auf die physische und psychische Gesundheit zu haben? „Einfach einer Gruppe anzugehören, wie den 50-jährigen Männern, reicht nicht aus“, sagt Rolf van Dick. Aber wenn man sich mit einer Gruppe identifiziere, unterstütze man sich in der Folge stärker gegenseitig. Zudem profitiert man dann auch stärker von der Unterstützung. Dadurch entwickelt die Gruppe eine Art kollektiver Selbstwirksamkeit nach dem Motto „Gemeinsam sind wir stark“. Die Mitglieder denken etwa: „Mit Stress werden wir schon fertig.“ Das wirke sich positiv aus. „Gruppen haben zudem etwa gegenüber einer Einzelperson wie dem Partner den Vorteil, dass sie vielfältigere Unterstützung bieten können“, sagt van Dick. Allerdings ist nicht jede Gruppe gut für die eigene Gesundheit. „Gefährlich können Gruppen sein, wenn in ihnen gesundheitsfeindliche Normen gelten“, sagt Andreas Mojzisch. „Und wenn man sich mit diesen Normen identifiziert.“ Er denkt dabei an Gruppen, in der es dazugehört, Fast Food zu essen oder viel Alkohol zu trinken. Rolf van Dick möchte Menschen dabei helfen, gesunde Bindungen einzugehen. Deshalb bietet er das Programm „Groups 4 Health“ an. „Darin lernen die Teilnehmer zunächst, die positiven Effekte von sozialer Bindung kennen“, sagt der Sozialpsychologe. „Dann sollen sie sich überlegen, in welchen Gruppen sie sich befinden.“ Anschließend müssen sie sich weitere Fragen stellen: Bekommen sie etwa von der jeweiligen Gruppe Unterstützung? Und welche Gruppen tun ihnen vielleicht nicht so gut? Lesen Sie aus unserem Plus-Angebot: Was ist eine gute Beziehung? So kann es auch zu Konflikten mit der eigenen Gruppe kommen. Etwa wenn man als Erstsemesterstudent von seiner Clique im Heimatort gedrängt wird, am Wochenende nach Hause zu kommen. Obwohl man lieber erst einmal den Studienort kennen lernen und neue Freunde finden möchte. „Da ist es gut, wenn man sich dessen einmal bewusst wird und es ausspricht“, sagt van Dick. In einem nächsten Schritt überlegen sich die Teilnehmer des Programms, wo sie vielleicht noch sozialen Bedarf haben. Und welchen Gruppen sie sich anschließen könnten. „Dann machen sie einen konkreten Plan, sich etwa in den nächsten vier Wochen für einen Volkshochschulkurs anzumelden“, sagt Rolf van Dick. Man sollte also den Wert von Gemeinschaft nicht unterschätzen. Zwar ist es in Zeiten von Corona keine gute Idee, sich persönlich in großen Gruppen zu treffen. Doch auch virtuelle Kontakte über Facetime, Skype und Chatgruppen können sich positiv auf Wohlbefinden und Gesundheit auswirken.
Quelle: Stuttgarter Zeitung vom Mittwoch, 22. Sept. 2021