Viele Parkinsonbetroffene leiden an Sehstörungen wie schwachem Kontrastsehen, trockenen Augen oder lästigen Doppelbildern. Glücklicherweise gibt es für die meisten Probleme wirkungsvolle Lösungen. Von Iris Reckert
Herr Blickerswiler ist 69 Jahre alt, seit sechs Jahren leidet er an Parkinson. Er hat immer gern gelesen – doch seit geraumer Zeit macht die Lektüre der Tageszeitung keinen Spass mehr. Nur wenige Minuten klappt das Lesen gut, dann beginnen die Zeilen zu verschwimmen und einzelne Buchstaben verblassen. Kommen dann noch Doppelbilder dazu, ist der Lesespass vorbei.
Was Herr Blickerswiler erlebt, kennen viele Parkinsonpatienten: Probleme mit den Augen und Störungen der visuellen Wahrnehmung sind bei Parkinson nicht selten. Denn die Parkinsonkrankheit hat auch Einfluss auf verschiedene Faktoren des Sehens.
Die Brille – was man über Optik wissen sollte
Wie viele andere an und für sich gesunde Menschen seiner Altersgruppe ist Herr Blickerswiler alterssichtig. Ursache dieser Sehstörung ist die ab etwa dem 45. Lebensjahr nachlassende Elastizität der Augenlinse. Folge dieser Altersstörung: Objekte in der Nähe erscheinen unscharf. Abhilfe schafft hier eine Lesebrille.
Weil Herr Blickerswiler allerdings schon seit seiner Jugend eine Brille für das Sehen in der Ferne (Kurzsichtigkeit) benötigte, riet ihm der Optiker in der Zeit, als sich die Alterssichtigkeit bemerkbar machte, zu einer sogenannten Gleitsichtbrille. Deren Gläser ermöglichen mit fliessendem Übergang eine Korrektur sowohl für das Sehen in die Ferne als auch in die Nähe. Mit dieser Gleitsichtbrille war Herr Blickerswiler bisher sehr zufrieden. Doch nun hat er beim Lesen immer wieder lästige Probleme – warum nur?
Die Tücken der Gleitsichtbrille
Damit man mit einer Gleitsichtbrille gut sehen kann, müssen die Gläser perfekt geschliffen sein. Denn für den Blick in die Ferne dient der obere, zum Lesen der untere Bereich der Gläser. Sitzt die Brille nicht richtig, «verrutscht» der Blick oder hält man den Kopf schräg, so geht der Blick nicht mehr korrekt durch die jeweilige optische Zone des Glases – und die Sicht wird undeutlich. Verschärft wird das Problem, wenn (abhängig von Glasform und Brillengestell) der Lesebereich der Gleitsichtgläser eher klein oder sehr weit unten angesiedelt ist. Dann müssen die Augen besonders genau «zielen», damit der Blick exakt durch die Lesezone der Gläser geht.
Genau hier ortet die Orthoptistin auch das Problem von Herrn Blickerswiler: Weil sich bei ihm, wie oft bei Parkinsonbetroffenen, die Kopf- und Körperhaltung über die Jahre verändert haben, passen Blickrichtung und Gleitsichtbrille nicht mehr recht zusammen.
Die zusätzliche Lesebrille – eine komfortable Alternative
Als Lösung für seine Probleme empfiehlt die Orthoptistin Herrn Blickerswiler den Kauf einer Brille speziell zum Lesen. Diese korrigiert die Sicht nur für das Sehen in die Nähe, das Glas hat also überall die gleiche Korrekturstärke. So sieht Herr Blickerswiler beim Lesen immer scharf, egal, durch welchen Glasbereich er blickt. So kann er entspannt lesen, ohne sich auf die Blickrichtung oder die Kopfhaltung konzentrieren zu müssen.
Seine Gleitsichtbrille kann er weiterhin als «Allzweck-Brille» nutzen, also auf Spaziergängen, am Computer oder auch zum schnellen Lesen kurzer Schriftstücke wie etwa einer Rechnung oder der Speisekarte im Restaurant. Für die Lektüre von Zeitungen oder Büchern ist aber die Lesebrille die komfortablere Lösung.
Doppelbilder und Störungen der beidäugigen Zusammenarbeit
Im Gespräch mit der Orthoptistin berichtet Herr Blickerswiler auch über die Doppelbilder, die ihn in den letzten Monaten immer häufiger plagen. Vor allem, wenn er längere Texte liest oder am PC arbeitet, «rutschen» zunächst einzelne Buchstaben auseinander und nach einiger Zeit sieht er alles doppelt.
Ursache dieses Phänomens sind, erklärt ihm die Orthoptistin, Störungen in der Beweglichkeit und der Zusammenarbeit beider Augen. Letztere ist eine Meisterleistung aus Koordination und Feinmotorik: Jedes Auge wird von sechs äusseren Augenmuskeln bewegt, welche Blickrichtungswechsel und die Einstellung der Augen auf verschiedene Distanzen in Sekundenbruchteilen ausführen. Dabei auftretende kleine Ungenauigkeiten werden vom Gehirn kontinuierlich detektiert und über kleine Korrekturbefehle an die Augenmuskeln blitzschnell ausgeglichen.
Ist diese Zusammenarbeit der Augen durch die Parkinsonerkrankung gestört, sehen die Betroffenen Doppelbilder. Diese werden meist als viel stärker behindernd empfunden als die bei Parkinson ebenfalls häufigen Störungen der Augenbeweglichkeit. So bemerken viele Betroffene gar nicht, dass sie ihre Augen oft nicht mehr weit genug nach oben bewegen können und dass ihre Blickbewegungen verlangsamt und teils ungeregelt ablaufen.
Ohne dies zu beabsichtigen, bewegen viele Parkinsonpatienten ihre Augen zu wenig. Auch blinzeln sie eher selten – ein unbewusster Prozess, der vor allem bei konzentriertem Arbeiten auftritt. Der Blick wird dann «starr» und unbeweglich, der Blinzelreflex bleibt aus. Durch diesen Bewegungsmangel des Augenpaares bleiben die unwillkürlichen Korrekturimpulse des Gehirns aus und kleine Augenstellungsfehler machen sich bemerkbar. Die Augen geraten in eine Fehlstellung – Doppelbilder treten auf.
Abhilfe schaffen kleine Änderungen des Blickverhaltens. So lernt Herr Blickerswiler, wie auch seine Augen «in Bewegung bleiben»: Beim Lesen blinzelt er am Ende jeder Seite kräftig und schaut kurz hin und her. Auch bei Computerarbeiten wechselt er den Blick, lässt ihn ab und zu durchs Fenster in die Ferne schweifen und blickt erst dann wieder auf den Bildschirm. So erhält das Augenpaar genügend Impulse für die beidäugige Zusammenarbeit.
Mit diesen Übungen hat Herr Blickerswiler nach einiger Zeit die Doppelbilder überwunden. Und wenn gelegentlich der Text in seiner Zeitung doch einmal doppelt erscheint, weiss er sofort, was zu tun ist: wegschauen, kräftig blinzeln und neu «zielen».
Wenn die Doppelbilder hartnäckig werden
Leider kann es im fortschreitenden Verlauf der Parkinsonerkrankung zu Augenstellungsfehlern kommen, die vor allem beim Blick in die Nähe hartnäckige Doppelbilder zur Folge haben. Dann ist eine Untersuchung in der orthoptischen Sprechstunde einer Augenarztpraxis nötig. Dabei wird die Augenstellung ausgemessen und ein Prisma angepasst. Prismen sind Gläser, die eine gezielte Bildverschiebung bewirken, welche die Abweichung der Augachsen korrigiert. So wird der Stellungsfehler des Augenpaares kompensiert und die Betroffenen sehen wieder richtig. Meist wird für eine Testphase ein provisorisches Prisma auf die normale Brille aufgeklebt. Ist das optimale Prisma gefunden, kann dieses bis zu einer gewissen Stärke in die Brille eingeschliffen werden.
Die optimale Leselampe
«Je ausgeprägter die Sehprobleme, desto wichtiger ist eine gute Beleuchtung.» Dieser Merksatz gilt für Parkinsonpatienten ganz besonders. Denn der Dopaminmangel wirkt sich auch auf die Netzhaut respektive die Reizleitung zwischen der Retina und dem Sehzentrum aus. Bemerkbar macht sich dies vor allem in einer Schwächung des Kontrastsehens. So beklagen die Betroffenen häufig ein zeitweises Verblassen der Buchstaben beim Lesen. Eine wirkungsvolle Hilfe ist in diesem Fall eine sogenannte Kaltlichtlampe (Energiesparlampe). Solche Lampen sorgen für eine besonders kontrastreiche Beleuchtung des Textes, sodass Ungenauigkeiten in der Wahrnehmung weniger störend werden.
Trockene Augen – ein Problem, das nicht sein muss
Das Problem trockener Augen kennen viele Menschen – und die Ursachen sind vielfältig. Parkinsonpatienten sind von diesem lästigen Phänomen recht häufig betroffen. Einerseits ist die Zusammensetzung ihrer Tränenflüssigkeit nicht optimal, andererseits nimmt man an, dass die Erkrankung den «Taktgeber» des Augenblinzelns beeinträchtigt. Deswegen blinzeln Parkinsonkranke weniger häufig, der auf dem Auge befindliche Tränenfilm trocknet. Brennende Augen, eine Entzündung der Bindehaut sowie unkontrolliertes Tränenüberlaufen können die Folge sein. Hier helfen «künstliche Tränen» in Form von Augentropfen. Dabei ist es sehr wichtig, dass Augentropfen ohne Konservierungsmittel verwendet werden. Letztere können Unverträglichkeitsreaktionen hervorrufen und sind daher für die regelmässige Anwendung ungeeignet.
Medikamenten-induzierte Sehprobleme
Gewisse Anti-Parkinson-Medikamente können sich negativ auf die optische Wahrnehmung auswirken. So können dopaminerge Medikamente visuelle Halluzinationen (optisches Wahrnehmen nicht vorhandener Dinge) auslösen. In diesem Fall ist ein erfahrener Neurologe gefragt. Gewisse Anticholinergika können eine Erweiterung der Pupillen verursachen. Gegen die dadurch verursachte erhöhte Lichtempfindlichkeit hilft das Tragen einer Brille mit getönten Gläsern.
Zum guten Schluss: Problem erkannt, Problem gebannt!
Sehstörungen und Probleme mit der Brille betreffen viele Parkinsonpatienten. Herr Blickerswiler hat seine Probleme von der Spezialistin abklären lassen und erfahren, dass es für viele Probleme gute Lösungen gibt. Er hält seine Augen nun mit Augenübungen in Bewegung, blinzelt bewusst und häufig. Zudem hat er sich eine neue Lesebrille anpassen lassen und eine Kaltlichtlampe gekauft. Entsprechend gut klappt es mit dem Lesen und die Lektüre seiner Tageszeitung bereitet ihm endlich wieder Freude.
Probleme und Lösungen: Die Tipps der Expertin
- Trockene Augen: Tränenersatzmittel ohne Konservierungsmittel verwenden, häufiger aktiv blinzeln.
- Schwierigkeiten beim Lesen: Auf optimale Beleuchtung (Kaltlichtlampe) achten, eine spezielle Lesebrille verwenden.
- Doppelbilder: Viel blinzeln, häufiger aktiv die Augen bewegen, eventuell eine Prismenbrille anpassen lassen.
- Blendung: Sonnenbrille tragen respektive Sonnengläser auf die normale Brille aufstecken. Wenn die Sonne hoch steht (Mittagszeit), einen Hut mit grossem Sonnenschild tragen.
Generelle Tipps:
- Lassen Sie Ihre Augen regelmässig vom Augenarzt checken.
- Schildern Sie dem Augenarzt / Optiker allfällige Probleme und erwähnen Sie unbedingt, dass Sie an Parkinson leiden.
- Sollten Sie doppelt sehen, fragen Sie den Augenarzt nach einer orthoptischen Untersuchung.
- Sagen Sie dem Optiker genau, für welche Tätigkeit Sie eine Brille wünschen (z.B. Lesen, Arbeiten am PC, Wandern…).