Progressive Muskelentspannung nach Dr. Edmund Jacobson
Die Grundidee
Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass muskuläre Anspannung oft das Resultat psychischer Belastungen und alltäglichen Stresses ist und eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von gesundheitlichen Beschwerden spielt.Edmund Jacobson (1885 – 1976), der als Internist in den USA praktizierte, begann 1908 seine medizinischen Forschungen über progressive Muskelentspannung an der Harvard Universität. Seine jahrzehntelangen Untersuchungen führten ihn zu der Schlussfolgerung, dass psychische Spannungen immer von Muskelkontraktionen begleitet sind und dass sich umgekehrt die Entspannung der Muskeln gleichzeitig positiv auf das Körpergefühl und das Seelenleben auswirkt. Unter anderem wurden bei jungen Soldaten die Auswirkungen der Angst registriert, wenn sie nach kurzer Ausbildung kriegerische Flugeinsätze hatten. Das machte es notwendig, ein Trainingsprogramm zu entwickeln, das auf relativ einfache Art die Angst vermindert. Es zeigte sich, dass die Muskelentspannung der direkte physiologische Gegensatz zu allen Arten von Ängsten und psychischen Spannungen ist. Drei Grundvoraussetzungen beim Lernen sind wesentlich:
Progressive Muskelentspannung und chronischer Schmerz
Eine besondere Rolle spielt die Progressive Muskelentspannung nachgewiesenermaßen auch bei der Behandlung des chronischen Schmerzes und gilt heute als eine erfolgreiche Methode der Schmerzbewältigung – insbesondere auch für Parkinson-Patienten. Edmund Jacobson beschäftigte sich als Arzt und Wissenschaftler zu Beginn unseres Jahrhunderts intensiv mit der Funktionsweise der Muskulatur. Dabei fiel ihm auf, dass innere Unruhe, aber auch der „normale“ Stress, dem wir tagtäglich ausgesetzt sind, zu Verspannungen der Muskulatur führen kann. Ein Mensch, der innerlich angespannt ist, ist auch muskulär angespannt. Bei Schmerzpatienten kann dies allerdings zu einer Zunahme der Schmerzen führen. Lang anhaltende Verspannungen von Körperpartien führen zu einer Verengung der Blutgefäße in den Muskeln und infolgedessen zu einer Unterversorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen. Es kommt zu einer Reizung der empfindlichen Schmerzsinneszellen in den Muskeln und damit zu einer Verstärkung der Schmerzen. Umgekehrt gilt aber auch: Sensibilität für Muskelverspannungen und regelmäßige Entspannung der Muskulatur sind ein wirksames Mittel zur Verringerung chronischer Schmerzzustände. Dies kommt den meisten Patienten zugute, die darüber hinaus die Erfahrung machen, selbst etwas gegen ihren Schmerz tun zu können. Wir haben es also mit einem Zusammenhang von Psyche und Körper zu tun, der in beide Richtungen besteht: Die Psyche wirkt auf den Körper – und umgekehrt können körperliche Veränderungen Änderungen im psychischen Befinden hervorrufen. Das regelmäßige Praktizieren des Trainings ist im Sinne eines gesundheitlichen Schutzfaktors ein wichtiger eigener Beitrag, um die seelische und körperliche Gesundheit zu schützen und zu stärken.
Progressive Muskelentspannung: Funktionsweise
Wörtlich übersetzt heißt Progressive Entspannung: voranschreitende Entspannung. Hiermit wird der systematische Aspekt gut beschrieben. Mit Hilfe der dargestellten Technik wird Muskelgruppe für Muskelgruppe entspannt und dadurch ein sich vertiefender Ruhezustand erreicht. Das Training der Progressive n Muskelentspannung ist einfach zu erlernen. Das ursprüngliche Vorgehen war jedoch sehr zeitaufwendig, da Jacobson ein sehr detailliertes Üben empfiehlt und auch recht kleine Muskelgruppen einbezieht. Aus diesen Gründen wird das Training heute kaum noch in der ursprünglichen Weise praktiziert. Es gibt viele Abwandlungen, wobei das Grundprinzip der Progressive n Muskelentspannung jedoch gleich ist. Die verschiedenen Trainingsübungen unterscheiden sich vor allem in der Anzahl der einbezogenen Muskelgruppen. Bei den ausführlicheren Trainingsprogrammen wird meist ein Vorgehen gewählt, das die folgenden Muskelgruppen einbezieht: Hände und Unterarme, Oberarme, Stirn, Wangenpartie und Nase, Kiefer, Nacken und Hals, Brust, Schultern und Rücken, Bauchmuskulatur, Oberschenkel und Gesäßmuskeln, Unterschenkel und Füße.Progressive Muskelentspannung kann am besten in einem ruhigen Raum im Liegen oder im Sitzen durchgeführt werden. Nach einer Einleitung, meistens Aufmerksamkeitslenkung auf die Atmung, werden die Muskelgruppen (z.B. Hand und Unterarm durch Ballen der Faust) jeweils für 5 – 10 Sekunden angespannt. Das Anspannen sollte nicht zu stark sein (die Übung hat nichts mit Krafttraining zu tun!). Danach wird die Spannung wieder gelöst. Während der anschließenden Ruhephase von etwa 30 Sekunden vertieft sich die Entspannung „mit jedem Ausatmen“ etwas mehr. Die Aufmerksamkeit ist dabei auf die Empfindungen im jeweiligen Körperteil gerichtet. Diese Entspannungsphase wird als angenehm und wohltuend erlebt. Danach sind die Muskelpartien des Oberarmes an der Reihe, dann die des Gesichtes, und nach und nach schreiten die Übungen über alle Muskelgruppen des Körpers voran.Durch die Konzentration auf die Entspannungsempfindungen lässt sich der Ruhezustand deutlich vertiefen. Viele Kursteilnehmer berichten nach der progressiven Muskelentspannung von Wärmegefühlen, angenehmer körperlicher Schwere, Prickeln oder Pulsieren oder einfach von einem wohltuenden Gefühl der Entspannung.
Verfasser: Anita Groß, Psychologin
Gerd Gutemann, Jacobsons Progressive Muskelentspannung
http://www.j-lorber.de/gesund/entspannung/index.htm