Bei ca. 75 bis 80% der Erkrankten liegt das „idiopatische Parkinson-Syndrom“ vor. Bei 10 – 20 % der Betroffenen handelt es sich jedoch um sekundäre oder symptomatische Parkinson-Syndrome. Diese lassen sich bekannten Auslösemechanismen zuordnen, zum Beispiel genetischen Schäden, Vergiftungen, Entzündungen, Kopfverletzungen, Durchblutungsstörungen oder – Medikamenten.
Sie fragen sich nun sicher, wieso es möglich ist, dass Medikamente die typischen Parkinson-Erscheinungen wie Bewegungsverlangsamung, Muskelversteifung, Zittern oder Gleichgewichtsstörungen auslösen können. Bei der normalen Parkinson-Krankheit kommt es zu einem Untergang von Hirnzellen, welche den wichtigen Botenstoff Dopamin für die Steuerung unserer Bewegungsabläufe produzieren. Diese Zellen liegen im Mittelhirn in einer Region, welche „schwarze Substanz“ genannt wird, da sie eine dunkle Färbung aufweist. Normalerweise wird dieses Dopamin nun aus der schwarzen Substanz in ein höher gelegenes Hirnzentrum weitergeleitet, welches als Schaltzentrale für einen harmonischen Ablauf der Bewegung sorgt, die sogenannten Basalganglien oder auch Stammganglien. Um das Dopamin aufnehmen zu können, verfügen diese Zellen über Andockstellen für solche Botenstoffe, Rezeptoren genannt. Beim Morbus Parkinson gibt es genügend aktive und gesunde Rezeptoren in den Stammganglien, aber zu wenig Dopamin. In der Folge kommt es zu den oben genannten motorischen Störungen.
Alle Medikamente, welche an diesen Rezeptoren andocken und diese somit für die Aufnahme von Dopamin blockieren, können (müssen aber nicht) Parkinson-Symptome auslösen und werden auch als Dopamin-Blocker oder Dopamin-Gegenspieler (Dopamin-Antagonisten) bezeichnet. Es ist zwar genügend Dopamin vorhanden, dieses kann aber von den bereits belegten Rezeptoren nur vermindert aufgenommen werden. In der Folge kommt es nun auch zu einem Mangel an dopaminerger Aktivität in Gehirn mit ähnlichen Symptomen, die auch bei einer Parkinson-Krankheit auftreten können.
Liegt bereits eine Parkinson-Krankheit vor, so können diese Medikamente zu einer deutlichen Verschlechterung der Symptomatik führen. Die Einnahme dieser Medikamente ist aus diesem Grund für Parkinson-Patienten nicht zu empfehlen.
Welche Medikamente blockieren die Aufnahme von Dopamin im Gehirn?
Die häufigsten Dopamin-Blocker im Gehirn sind Antipsychotika. Es handelt sich dabei um Medikamente, welche in der Therapie von Psychosen und gegen starke Übelkeit eingesetzt werden, auch Neuroleptika genannt. Als Ursache von Psychosen wird unter anderem ein Dopaminüberangebot im Gehirn angenommen, so dass man die Aufnahme von Dopamin bewusst blockiert. Es gibt jedoch noch eine Reihe anderer Medikamente, die in Frage kommen. Besonders zu erwähnen ist das Magenmittel Metoclopramid (MCP, Paspertin, Gastrosil etc.), welches von Hausärzten sehr häufig gegen Magen-Darm-Beschwerden verordnet wird und die sogenannte „Aufbauspritze“ mit Fluspirilen (Imap, Fluspi etc). Sie wird häufig gegen innere Unruhe und Angstzustände und bei Erschöpfung angeboten.
Medikamente, welche Parkinson-Symptome auslösen oder verschlechtern können (nicht müssen!)
- Mittel gegen Psychosen (z.B. Haloperidol, Perphenazin, Fluspirilen)
- Mittel gegen Übelkeit und Erbrechen (z.B. Metoclopramid)
- Mittel gegen Schwindel (z.B. Sulpirid)
- zentral wirksame Mittel gegen hohen Blutdruck (z.B. Reserpin)
- Kalzium-Kanalblocker (z.B. Flunarizin, Cinnarizin)
- Lithium
- Mittel gegen Epilepsie (z.B.Valproat)
- Schmerzmittel (z.B. Indometacin)
- Antibiotika (z.B. Aminoglykoside)
- Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) der ersten Generation (z.B. Fluvoxamin)
- Medikamente gegen Herzrhythmusstörungen ( z.B. Amiodaron)
Gut zu wissen!
Im Beipackzettel der meisten dieser Medikamente kann man die Möglichkeit einer solchen Nebenwirkung nachlesen. Leider stehen unter dieser Rubrik jedoch nicht „Parkinson-Symptome“, sondern extrapyramidale oder extrapyramidal-motorische Symptome oder nur Tremor.
Was kann nach Einnahme solcher Medikamente passieren?
Da die Zellen im Gehirn durch diese Medikamente nicht zerstört, sondern nur blockiert werden, klingt die Parkinson-Symptomatik nach dem Absetzen der Medikamente vollständig ab. Dies kann jedoch bis zu 6 Monate dauern. Trägt der Betroffene eine Parkinson-Krankheit bereits in sich, weiß es jedoch noch nicht, so kann diese Krankheit vorzeitig ausbrechen. In diesem Fall würde man von einer „Demaskierung“ einer bis dahin noch verborgenen Parkinson-Krankheit sprechen. Hier gibt es keine Rückbildung der Symptome, die Krankheit ist nun klinisch sichtbar und entwickelt sich wie ein normales primäres Parkinson-Syndrom. Derartige Verläufe werden häufig von Patienten nach Operationen (Narkose mit Neuroleptikazusatz) berichtet.
Wie kann man ein Parkinson-Syndrom durch Medikamente von einer Parkinson-Krankheit unterscheiden?
Ein medikamentös ausgelöstes Parkinson-Syndrom, auch Parkinsonoid genannt, tritt in der Regel auf beiden Seiten gleich stark auf und ist symmetrisch. Die primäre Parkinson-Krankheit ist asymmetrisch, z.B. sind die Symptome im rechten Arm und Bein viel ausgeprägter als auf der linken Seite. Außerdem zeigt ein Parkinsonoid keine Progredienz (Fortschreiten), sondern bleibt immer gleich stark ausgeprägt, sofern nicht das Medikament abgesetzt wurde. Die Parkinson-Krankheit verschlechtert sich jedoch trotz Therapie langsam fortschreitend und die Symptome nehmen zu.
Wer ist besonders gefährdet?
Frauen entwickeln doppelt so häufig ein medikamentös induziertes Parkinson-Syndrom als Männer. Ältere Menschen mit vielen verschiedenen Medikamenten sind ebenso mehr gefährdet und auch Menschen mit Parkinson-Betroffenen in der Blutsverwandtschaft sind empfindlicher.
Was sollte man tun, wenn man auf ein Medikament Parkinson-Symptome entwickelt, z.B. ein Zittern?
Sprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt darüber. Vielleicht kann man die Dosis reduzieren oder das Medikament gegen eine anderes austauschen. Ein eigenmächtiges Absetzen ist nicht ratsam. Auch wenn Sie bereits Parkinson-Patient sind und unter einem Medikament eine Verschlechterung bemerken, sollten Sie Ihren Arzt informieren und sich über mögliche Alternativen beraten lassen.
Stand Januar 2013 | Dr. Ilona Csoti, Chefärztin, Gertrudis-Klinik Biskirchen