Hat die Parkinson-Erkrankung ihren Ursprung im Gehirn oder in der Peripherie? Beides könnte stimmen, sagen jetzt dänische Forscher. Bei Morbus Parkinson kommt es zu einem Absterben dopaminerger Nervenzellen in der Substantia nigra des Gehirns. Das ist medizinische Allgemeinbildung. Über die Ursachen des Nervenschwunds herrschte jedoch lange Unklarheit. Anfang der 2000er-Jahre kam die sogenannte Dual-Hit-Hypothese auf, der zufolge ein noch unbekanntes Pathogen entweder über die Nase oder, aus dem Magen-Darm-Trakt kommend, über den Vagusnerv ins Gehirn eindringt und dort die Krankheitverursacht (»Neuropathology and Applied Neurobiology« 2007, DOI: 10.1111/j.1365-2990.2007.00874.x).
Die Dual-Hit-Hypothese wurde sowohl durch epidemiologische Studien als auch durch den Befund gestützt, dass das pathologische Protein α-Synuclein im peripheren Nervensystem von Patienten teilweise bis zu 20 Jahre vor einer Parkinson-Diagnose nachweisbar ist, berichten jetzt Professor Dr. Per Borghammer und Dr. Nathalie Van Den Berge von der Universität Aarhus in Dänemark im »Journal of Parkinson’s Disease«. »Allerdings lassen sich nicht alle Autopsie-Studien mit dieser Interpretation in Einklang bringen«, so Borghammer in einer begeitenden Pressemitteilung. In einigen Fällen fänden sich an den wichtigen Eintrittsstellen, etwa im dorsalen Vaguskern, in den Gehirnen von Parkinson-Patienten nicht die krankheitstypischen Veränderungen.
Die beiden Autoren stellen deshalb jetzt die Hypothese auf, dass es zwei Parkinson-Subtypen gibt: einen mit Ursprung im peripheren Nervensystem (PNS-first) und einen mit Ursprung im zentralen Nervensystem (CNS-first). Erstere sei eng mit der REM-Schlaf-Verhaltensstörung assoziiert, einer bestimmten Schlafstörung, die bei einigen Patienten einer Parkinson-Erkrankung vorausgeht. Bei der PNS-first-Form würden zunächst autonome Nerven zerstört, bevor es zu einer Beeinträchtigung des dopaminergen Systems komme. Bei Patienten mit der CNS-first-Form sei dagegen eine REM-Schlaf-Verhaltensstörung in der Prodromalphase der Erkrankung selten. Hier sei zuerst die Funktion der dopaminergen Nerven in der Substantia nigra gestört und erst danach auch das autonome periphere Nervensystem.
Ihre Theorie untermauern sie mit Ergebnissen aus Studien mit bildgebenden Verfahren mit menschlichen Probanden sowie aus Gewebeuntersuchungen von Menschen und Tieren.
Wahrscheinlich brauchen wir für die beiden verschiedenen Formen der Erkrankung unterschiedliche Behandlungsstrategien.
Professor Dr. Per Borghammer
Möglicherweise lasse sich der PNS-first-Form durch Interventionen vorbeugen, die auf den Magen-Darm-Trakt abzielen, wie Probiotika, Stuhltransplantationen oder entzündungshemmende Therapien. Diese seien jedoch bei Patienten mit der CNS-first-Form vermutlich wirkungslos. Um eine personalisierte Therpapie zu ermöglichen, sei es notwendig, den jeweiligen Parkinson-Subtyp eines Patienten zu bestimmen.
DOI: 10.3233/JPD-191721