In der Mitgliederzeitschrift der dPV „Leben mit Zukunft“ veröffentlichte Prof. Dr. Horst Przuntek im Frühjahr 2019 den folgenden, zur Diskussion herausfordernden Beitrag:

Paradigmenwechsel in der Therapie des Morbus Parkinson

Prof. Dr. Horst Przuntek

Nach neueren Umfragen gibt es 450.000 Parkinson-Patienten, die mit Parkinson-Medikamenten behandelt werden. Wenn wir eine Dunkelziffer von 50.000 Patienten dazurechnen haben wir 500.000 Patienten oberhalb der Akinese- / Rigor-Schwelle – das heißt, des Zustandes, den jeder Nervenarzt in Deutschland diagnostizieren und behandeln kann.

Wenn wir davon ausgehen, dass die Krankheit etwa 30 Jahre vor Auftreten der ersten Akinese- / Rigor- / Tremor-Zeichen auftritt mit einer Alpha-Synuclein-Anreicherung im Dickdarm, kommen noch einmal etwa 500.000 Patienten mit einem Morbus Parkinson im Frühstadium dazu. Dies bedeutet, wir haben 1 000 000 Parkinson-Patienten in Deutschland, die nach den neuesten Behandlungsmöglichkeiten behandelt werden könnten. Bis vor kurzem galt, dass eine Anreicherung des Proteins Alpha-Synuclein im Gehirn für die Entstehung des Morbus Parkinson verantwortlich sei.

Da exogene Faktoren weitgehend als Ursachen ausgeschlossen werden konnten, schien es uns plausibel, nach endogenen Faktoren zu suchen, die den Morbus Parkinson mit beeinflussen könnten. Der Morbus Parkinson ist in Indien seit 2000 Jahren unter dem Namen Kampa Vata bekannt. Dort wird die Erkrankung mit Diät und Detoxifikation des Darmes behandelt. Außerdem erhalten die Patienten wirksame Phytopharmaka. Da wir davon ausgehen mussten, dass das Toxin am ehesten im Dickdarm produziert wird, haben wir Mikrobiom-Analysen gemacht, um nachzusehen, ob das Mikrobiom im Dickdarm verändert ist.

Wir konnten zeigen, dass das Mikrobiom von Parkinson-Patienten im Darm anders ist als das von Patienten mit Multipler Sklerose und Kontrollpersonen. Darüber hinaus waren wir in der Lage, den Effekt der ayurvedischen Kost auf das Mikrobiom des Dickdarmes zu untersuchen und nachzuweisen, dass das Mikrobiom unter ayurvedischer Kost verändert wird. Weiterhin waren wir in der Lage, den Effekt von Vasti (Einläufe) zu überprüfen. Auch hier zeigt sich, dass Vasti einen positiven Effekt auf das Mikrobiom haben.

Es heißt, es habe jetzt ein Paradigmenwechsel in der Therapie des Morbus Parkinson begonnen. Primär muss man eine Basistherapie durchführen mit Behandlung des Darmes, der Haut und des Riechsystems. Darüber hinaus ist eine medikamentöse Neueinstellung erforderlich. Wir halten es für zunehmend wahrscheinlich, dass wir in der Lage sind, mit diesen Maßnahmen, wenn auch modifiziert, den Morbus Parkinson zu heilen. Die Regeneration des Nervensystems braucht aber eine lange Zeit, so dass die völlige Regeneration bei dem derzeitigen Stand der Wissenschaft etwa zehn Jahre braucht.

Die Kombination mit einer modernen Pharmakotherapie ermöglicht es uns, den Zustand der Parkinson-Patienten erheblich zu verbessern, so dass wir davon ausgehen können, dass eine Tiefenhirnstimulation zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr notwendig ist. Dies umso mehr, da der Effekt der Tiefenhirnstimulation zeitlich begrenzt ist. Auch die Anlage einer Duodopapumpe ist unter Berücksichtigung der modernen Pharmakotherapie heute als seht hinterfragungswürdig anzusehen. Bevor eine Duodopapumpe angelegt wird, sollte man alle Möglichkeiten der modernen Pharmakotherapie einschließlich der Gabe von Rytary überprüfen und zusätzlich versuchen, eine Basistherapie durchzuführen.

Quelle: „Leben mit Zukunft“ | dPV-Mitgliederzeitschrift | Nr. 148 – 1/2019 | S. 8f

Nachtrag

Dem Beitrag Prof. Przunteks folgte in der nächsten Ausgabe der dPV-mitgliederzeitschrift diese Notiz der Redaktion:

Auf den Artikel der Ausgabe 148 „Paradigmenwechsel in der Therapie des Morbus Parkinson” von Prof. Dr. Horst Przuntek erreichte die Redaktion [der dPV-Mitgliederzeitschrift] eine Vielzahl an Reaktionen.

Das Spektrum der Rückmeldungen reichte von „blankem Entsetzen” bis zu „Empörung”. Namhafte deutsche Parkinson-Experten teilen die Einschätzung des Autors von einem „Paradigmenwechsel in der Therapie des Morbus Parkinsons” in keinster Weise. Zudem könne von einer möglichen Heilung des Morbus Parkinson durch eine„Basistherapie des Darms, der Haut und des Riechsystems in Verbindung mit einer medikamentösen Neueinstellung” nicht die Rede sein.

Deshalb sei Przunteks Auffassung, Tiefenhirnstimulationen (THS) seien zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr notwendig, nicht zutreffend. Vielmehr stelle die THS für viele Patienten eine sinnvolle Möglichkeit dar, die Folgen und Symptome ihrer Parkinson-Erkrankung zu beherrschen. 

Quelle: „Leben mit Zukunft“ | dPV-Mitgliederzeitschrift | Nr. 149 – 2/2019 | S. 36