Welt-Parkinson-Tag in Potsdam

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Parkinson ist eine der häufigsten Erkrankungen des Nervensystems – und unheilbar. Zur Bekanntheit der Krankheit haben prominente Schicksale wie die des Boxers Muhammad Ali und der Schauspieler Michael J. Fox und Ottfried Fischer beigetragen. Aber auch der Welt-Parkinson-Tag am 11. April soll auf die „Schüttellähmung“ und die Behandlungsmöglichkeiten aufmerksam machen. Christine Eichler, Chefärztin am Evangelischen Zentrum für Altersmedizin in Potsdam erklärt, womit es der Tag noch auf sich hat.

Frau Eichler, wir sitzen hier im Evangelischen Zentrum für Altersmedizin – ist Parkinson eine Alte-Leute-Krankheit?

Vorwiegend ja. Parkinson ist eine Erkrankung, die im höheren Lebensalter mit zunehmender Häufigkeit auftritt. Über 80 Prozent der Erkrankten sind zwischen 50 und 79 Jahre alt. Es gibt zwar auch eine erbliche Variante, die eher auftritt – sie ist aber selten. Bei den meisten Patienten tritt die Erkrankung ohne erkennbare Ursachen auf. 

Welche Symptome deuten denn auf Parkinson hin?

Viele Betroffene und auch Ärzte nehmen die Symptome zuerst gar nicht bewusst wahr – eben weil wir es mit älteren Patienten zu tun haben und die Symptome häufig auch aufs Älterwerden schieben. So kommt es anfangs oft zu schmerzhaften, meist einseitigen Muskelverspannungen der Schulter-Arm-Region. Außerdem machen sich Müdigkeit, depressive Verstimmungen, plötzliche Schweißausbrüche, Verstopfung oder innere Unruhe bemerkbar. Die Krux: Viele Patienten gehen erst im fortgeschrittenen Stadium zum Arzt, denn sie nehmen die Schmerzen und Einschränkungen schicksalhaft an, stellen ihr Leben auf die Defizite ein. Wer zum Beispiel keine Treppen mehr steigen kann, vermeidet Treppen und vieles mehr. Dass jemand im Alter nicht mehr alles so schnell erledigen kann wie mit 25, ist nicht ungewöhnlich, aber manchmal steckt eben mehr dahinter. Parkinson ist ein schleichender Prozess. 

Landläufig wird Parkinson mit dem Zittern der Hände verbunden…

Ja, im weiteren Krankheitsverlauf beginnen die Hände zu zittern, alltägliche Bewegungen und Tätigkeiten wie Zähneputzen, Schreiben, Schraubgläser öffnen oder Schuhe zubinden fallen immer schwerer. Es kann vermehrt zu Stürzen kommen, Probleme beim Schlucken und Sprechen kommen hinzu, die Kontrolle über den eigenen Körper geht immer weiter verloren. Das alles passiert bei vollem Bewusstsein, was für viel am schlimmsten ist.

Was geht schief im Körper eines Parkinsonkranken?

Kurz und knapp gesagt, mangelt es ihm am Nervenbotenstoff Dopamin. Dieser Mangel wird durch das Absterben bestimmter Nervenzellen im Mittelhirn hervorgerufen.

Ist eine Heilung möglich?

Derzeit ist nicht. Wenn der Krankheitsprozess einmal angeschoben wurde, hat man nur die Möglichkeit, den Verlauf zu verzögern. Die Medizin schafft es inzwischen, dass Patienten relativ symptomarm leben können – aber nur, wenn Parkinson frühzeitig erkannt wird. Das Problem an der Therapie, bei der entsprechende Medikamente eingenommen werden, ist, dass sie zwar gut greift, über die Jahre hinweg aber auch Nebenwirkungen hervorruft. 

Parkinson ist eine Schock-Diagnose…

…wie alle Erkrankungen, für die wir kein definiertes Heilungsangebot haben. Wir können Parkinson aber sehr positiv im Verlauf beeinflussen. Wir wollen die Patienten ermutigen. Das ist die Aufgabe von uns Ärzten bei einer schwerwiegenden Diagnose, mit Tragweite für das persönliche als auch familiäre Leben. Parkinson ist so eine ernstzunehmende Diagnose, aber kein Todesurteil. Wer im höheren Alter erkrankt, stirbt nicht daran.

Was können Sie und Ihr Team hier in Potsdam tun?

In enger Abstimmung mit Neurologen können wir hier die medikamentöse Therapie sehr fein justieren. Darüber hinaus bieten wir im Rahmen unserer komplex-geriatrischen Behandlung Physio-, Ergo- und Logotherapie an, eine Gleichgewichts- und Gangschule, eine Sturzprävention. Ein weiterer Schwerpunkt ist auch die differenzierte neuropsychologische Diagnostik und Therapie. Es ist wichtig, einem Parkinson-Patienten das Selbstvertrauen wiederzugeben – die Gewissheit, dass du du selbst bleibst. Betroffene haben oft Angst, das eigene Ich zu verlieren. 

Woran liegt das?

Durch Parkinson nehmen Mimik und Gestik ab. Die Betroffenen können ihre Gefühle nicht mehr zeigen und sehen dauerhaft traurig aus. Man wird in eine „Maske“ hineingedrückt, mit der man sich nur schlecht identifizieren kann. Das ist auch für die Angehörigen schwer. Viele interpretieren den immer gleich bleibenden Gesichtsausdruck fälschlicherweise als Desinteresse oder Traurigkeit. Um Missverständnisse zu vermeiden, ist es unbedingt notwendig, dass der Erkrankte seine Gefühle auch mit Worten mitteilt und so seine Mitmenschen mitschwingen lässt. 

Braucht die Öffentlichkeit Nachhilfe im Umgang mit Parkinson?

Parkinson ist eine Erkrankung, die in der breiten Öffentlichkeit inzwischen sehr bewusst wahrgenommen wird. Das ist bei einer Demenz noch anders, denn viele Betroffene kaschieren ihre Defizite. Bei manifestem Parkinson sind die Hauptsymptome deutlich sichtbar. Betroffene nehmen auch stärker am gesellschaftlichen Leben teil als Demenzkranke, für die ein vertrautes Umfeld wichtig ist.

Wenn’s so gut steht: Warum brauchen wir einen Parkinson-Tag? 

Am 11. April 1755, also vor genau 262 Jahren wurde in London der Arzt, Apotheker und Paläontologe James Parkinson geboren. Parkinson war der erste Arzt, der die verschiedenen Symptome der „Schüttellähmung“ beschrieb und als Krankheit deutete. Heute wird sein Geburtstag weltweit genutzt, um am „Welt-Parkinson-Tag“ auf die Krankheit aufmerksam zu machen. Wir brauchen den Tag, um gerade auch für auftretende Frühsymptome zu sensibilisieren, um Fachgremien zu einem wissenschaftlichen Austausch zusammenzuführen sowie insbesondere um Betroffenen Mut zuzusprechen. Es gibt viele Erkrankungen, die ganz individuelle Schicksale nach sich ziehen, denken wir nur an Multiple Sklerose, an ALS oder Mukoviszidose. Auch Parkinson gehört dazu. Deshalb hat es Parkinson verdient, dass wir für einen Tag im Jahr intensiver darüber sprechen.

Das Evangelische Zentrum für Altersmedizin

Das Evangelische Zentrum für Altersmedizin umfasst ein geriatrisches Fachkrankenhaus mit Tagesklinik, ein Seniorenzentrum, eine Kurzzeitpflege, die Beratungsstelle „Rund ums Alter“ sowie ein ausführliches Lehrangebot für alle in der Geriatrie tätigen Berufsgruppen. 

Mit 120 Betten im Krankenhaus und in der Tagesklinik sowie 111 Plätzen im Bürgerstift am Heiligen See zählt das EZA zu den größten Kompetenzzentren für Altersmedizin im Land Brandenburg. 

Krankenhaus, Tagesklinik und Beratungsstelle befinden sich zu Füßen des Winzerbergs, Weinbergstraße 18-19. Die Kurzzeitpflege ist in der Gutenbergstraße 100-102 zu finden, das Bürgerstift in der Ludwig-Richter-Straße 6-7. Gegründet wurde es 1877. Prinz Wilhelm (später Kaiser Wilhelm II.) eröffnete das Bürgerstift 1882. Es überstand beide Weltkriege ohne größere Schäden. 1961 wurde es in Volkseigentum überführt, was 1979 u.a. durch das Engagement Manfred Stolpes rückgängig gemacht wurde. 

Von Nadine Fabian

Quelle: https://www.maz-online.de/Lokales/Potsdam/Parkinson-ist-kein-Todesurteil