Welche Pumpe für wen?

Ausgabe Nr. 145 – Sommer 2018

Klinischer Stellenwert der Pumpentherapien bei der Parkinson-Behandlung

Von Dr. Inga Claus

Einleitung: Das idiopathische Parkinsonsyndrom (Morbus Parkinson) ist eine der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen weltweit. Während es sich in der Frühphase der Erkrankung häufig sehr gut mit einer oralen/transdermalen Medikation, also Tabletten/Kapseln/ Pflaster, behandeln lässt und vielen Patienten ein weitgehend symptomfreies Leben ermöglicht, treten in den fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung neben beeinträchtigenden nichtmotorischen Symptomen häufig auch motorische Komplikationen auf. Insbesondere tageszeitliche Schwankungen der Beweglichkeit, sog. On-/Off-Phänomene mit einem schnellen Wechsel von Phasen der Über- und Unterbeweglichkeit, sind trotz regelmäßiger und optimierter Einnahme der aktuell zur Verfügung stehenden oralen/transdermalen Wirkstoffe teilweise nur schwer behandelbar und stellen Ärzte und Patienten vor große Herausforderungen.

Neben der oralen Medikation und der Tiefen Hirnstimulation steht auch die kontinuierliche dopaminerge Stimulation mithilfe von Medikamentenpumpen als Therapieverfahren zur Verfügung, was für viele Patienten neben der Besserung der motorischen und nicht-motorischen Symptome auch zu einer deutlichen Besserung der Lebensqualität führen kann. Hierbei haben sich insbesondere die kontinuierliche Gabe von subkutanem Apomorphin und intestinalem L-Dopa-Gel als Therapieverfahren bewährt und sind anerkannte Behandlungsmöglichkeiten für Parkinson-Patienten im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung.

Pumpentherapien beim Parkinson: Was, wann und für wen?

Zur Verfügung stehen zwei verschiedene Pumpenverfahren, die sich durch den verabreichten Wirkstoff sowie die Applikationsform unterscheiden:

Apomorphin-Pumpentherapie: Das Medikament Apomorphin gehört zur Gruppe der sog. Dopamin-Agonisten, wirkt aber wesentlich stärker als die oral verfügbaren Dopamin-Agonisten Rotigotin, Pramipexol und Ropinirol. Da es nur zu einem geringen Teil aus dem Magen-Darm-Trakt resorbiert wird, kann es nicht als Tablette eingenommen werden. Die Applikation erfolgt daher subkutan, d.h. durch eine Injektion in die Haut, wodurch die beabsichtigte Wirkung sehr schnell eintritt. Für die kurzfristige Anwendung von Apomorphin steht auch ein subkutaner Injektions-Pen zur Verfügung, der einzelne Dosen des Medikaments in die Haut abgibt. Für die kontinuierliche Applikation steht eine tragbare Infusionspumpe zur Verfügung, die nach vorheriger Einstellung durch den Arzt den Wirkstoff immer gezielt und in der gewünschten Menge abgibt.

Die Apomorphin-Pumpe wird bei Patienten eingesetzt, die an starken Wirkschwankungen, sog. On-/Off-Phänomenen, leiden. Es wechseln hier Phasen vermehrter Unbeweglichkeit mit solchen von deutlicher Überbeweglichkeit ab, die sich durch die orale Medikamenten-Einnahme nur sehr schwer steuern lassen. Mit der kontinuierlichen Verabreichung von Apomorphin über die Haut können gleichmäßigere Blutspiegel als mit oraler Medikation erreicht werden, Phasen mit wechselnder Beweglichkeit werden „geglättet“. Dies kommt auch bei längerer Anwendung der Pumpe zum Tragen.

Die Therapie mit der Apomorphin-Pumpe wird in der Regel morgens nach dem Aufstehen begonnen. Bedienung und Handhabung sind relativ einfach, sodass die meisten Patienten sie nach einer Schulung selbst, mithilfe Angehöriger oder eines Pflegedienstes bedienen können. Die Pumpe selbst ist klein und wird in der Regel in einem Stoffbeutel am Körper mithilfe eines Gürtels oder Nackengurtes getragen. Morgens erfolgt jeweils die einmalige Injektion einer Teflonnadel in das subkutane Bauchfettgewebe, im Anschluss wird die Pumpe angestellt. Mithilfe einer sog. Bolusfunktion kann eine Morgendosis gegeben werden, um die Beweglichkeit am frühen Morgen zu unterstützen. Abends kann die Nadel wieder entfernt werden. Bei der Behandlung mit der Apomorphin-Pumpe ist in der Regel eine weitere Einnahme einer oralen Medikation sowohl tagsüber als auch zur Nacht notwendig, da die Applikation von Apomorphin nicht die komplette, vorher eingenommene orale Parkinson-Medikation ersetzen kann. In der Regel kann aber zumindest die Dosis und Einnahmehäufigkeit der Tagesmedikation spürbar reduziert werden. Teilweise wird die Apomorphin-Pumpe auch in der Vorbereitungszeit für die Durchführung einer Tiefen Hirnstimulation verwendet. (Abb.1-3)

L-Dopa-Pumpen-Therapie: Bei der jejunalen L-Dopa-Pumpentherapie wird das Medikament L-Dopa verwendet, das seit langem als „Goldstandard“ für die Behandlung der Parkinson-Erkrankung insbesondere in den fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung gilt. Das bei derjejunalen Infusionstherapie verwendete Medikament setzt sich aus einem L-Dopa-Präparat sowie dem Decarboxylase-Hemmer Carbidopa zusammen und wird als eine Art Gel-Form verwendet. Anders als bei der Apomorphin-Pumpentherapie ist hier keine subkutane Applikation über die Haut möglich, sondern das Medikament muss direkt in den Dünndarm gegeben werden. Ein großer Vorteil dieser Behandlungsform ist, dass hierbei Kehlkopf, Speiseröhre und Magen der Patienten umgangen werden, was insbesondere bei Patienten mit starken Schluckstörungen relevant sein kann. Außerdem besteht bei vielen Patienten im Verlauf der Erkrankung eine Störung der Magen-Motilität, sodass eingenommene Medikamente mitunter sehr lange Zeit im Magen zirkulieren, bevor sie an den Darm und damit schließlich ins Blut abgegeben werden. Durch die direkte Gabe der Medikation in den Dünndarm lässt sich ein Großteil dieser Schwierigkeiten umgehen und – ähnlich wie bei der Apomorphin-Pumpe – ein kontinuierlicher L-Dopa-Wirkspiegel im Blut erreichen. Auf diese Weise können Off-Phasen und Dyskinesien bei Parkinson-Patienten teilweise deutlich reduziert werden. Auch die Einnahme der oralen Medikation mehrfach pro Tag fällt in vielen Fällen vollständig weg. Allerdings muss für die Applikation des L-Dopa-Gels in den Darm ein künstlicher Zugang geschaffen werden. Dies erfolgt über die Anlage einer perkutanen enteroskopischen Gastrostomie-Sonde (PEG), wie sie z.B. auch bei Patienten verwendet wird, die selbstständig nicht ausreichend Nahrung aufnehmen können. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Sonden verfügt die L-Dopa-Pumpensonde über zwei getrennte Schenkel: Einer führt bis in den Dünndarm und dient der Applikation des L-Dopa-Gels. Der andere führt in den Magen und kann bei Bedarf ähnlich wie eine normale PEG zur Gabe von (gemörserten) Medikamenten, Flüssigkeit und ggf. auch Nahrung genutzt werden, wenn bei den betroffenen Patienten ein entsprechender Bedarf besteht.

Apomorphin-PumpeL-Dopa-Pumpe
Wirkfluktuationen und Dyskinesien trotz optimaler oraler / transdermaler Therapie.Wirkfluktuationen und Dyskinesien trotz optimaler oraler / transdermaler Therapie.
Off-Zeit von mehr als 1 bis 2 Stunden pro Tag oder beeinträchtigende Dyskinesien trotz der Einnahme von 5 oder mehr Levodopa-Tabletten / -Kapseln pro Tag.Off-Zeit von mehr als 1 bis 2 Stunden pro Tag oder beeinträchtigende Dyskinesien trotz der Einnahme von 5 oder mehr Levodopa-Tabletten / -Kapseln pro Tag.
Kommt auch bei älteren Patienten oder leichter bis moderater Demenz in Betracht, wenn eine tiefe Hirn- stimulation kontraindiziert ist.Kommt auch bei älteren Patienten oder begleitender Demenz in Betracht, wenn eine Tiefe Hirn- stimulation kontraindiziert ist.
Der Patient / Angehörige müssen mit den praktischen Erfordernissen der Pumpe umgehen können.Das Umfeld (Angehörige, Pflege- personen) muss mit den praktischen Erfordernissen der Pumpe umgehen können.
Patienten, die sich noch nicht für
eine Tiefe Hirnstimulation oder eine L-Dopa-Pumpe entscheiden können (Apomorphin-Pumpen sind am wenigsten invasiv) oder Patienten, die auf eine Tiefe Hirnstimulation warten, um das prä- und perioperative Prozedere zu erleichtern.
Es dürfen keine Kontraindikationen gegen die Anlage einer PEG-Sonde bestehen.

Natürlich ist auch eine vollständige weitere orale Nahrungsaufnahme möglich. Die Inbetriebnahme der Pumpe erfolgt in der Regel morgens nach dem Aufstehen. Hierzu wird die Pumpe an das passende Schlauchstück angeschlossen, das nachts mit einem Pflaster abgeklebt werden kann. Eine Kassette, gefüllt mit der entsprechenden Medikation, wird in die Pumpe eingesetzt. Auch bei dieser Pumpenform kann eine morgendliche Bolusgabe erfolgen, um vollständige Beweglichkeit zeitnah zu erhalten. Tagsüber läuft die Pumpe kontinuierlich mit einer vom Arzt festgelegten Laufrate, falls entsprechend vereinbart, sind auch im Tagesverlauf weitere Bolusgaben in Phasen vermehrter Minderbeweglichkeit möglich. Vor dem Schlafengehen wird die Pumpe in der Regel wieder ausgestellt, in Einzelfällen ist jedoch auch eine Anwendung über Nacht möglich. Auch für die L-Dopa-Pumpe gibt es entsprechende Tragesysteme in Form von Hüfttaschen, Umhängetaschen, Funktionsunterhemden oder Westen. (Abb. 4)

Wann wird es Zeit, über Pumpentherapien nachzudenken?

Über die Anwendung einer der beiden Pumpentherapien sollte man als Patient zusammen mit seinem behandelnden Arzt nachdenken, wenn es trotz häufiger Tabletteneinnahme am Tag zu starken Wirkschwankungen in der Beweglichkeit kommt und man sich insbesondere in seiner Lebensqualität hierdurch stark eingeschränkt fühlt. Grundsätzlich gibt es für die Anwendung der Pumpentherapien keine Alters- oder Erkrankungsdauerbegrenzung. Welche Therapie am besten in Betracht kommt, sollte jeweils individuell mit dem betreuenden Neurologen besprochen werden.

Für wen kommen die Pumpentherapien nicht in Betracht?

Grundsätzlich kann eine Indikation für eine Pumpentherapie bei allen Patienten mit einem idiopathischen Parkinsonsyndrom im fortgeschrittenen Stadium und unzureichendem Ansprechen auf eine medikamentöse Behandlung geprüft werden. Bei Patienten, die zusätzlich schwer an Demenz erkrankt sind, sollte jeweils individuell abgewogen werden, ob eine Pumpenbehandlung zu einer Besserung der Lebensqualität und Beweglichkeit führen kann. Auch bei einem stark ausgeprägten Zittern als Hauptsymptom, das nicht oder nur unzureichend auf die medikamentöse Therapie anspricht, ist eine Pumpentherapie ggf. nicht zielführend.

Erleichterung der Entscheidung für Patienten und Ärzte: die stationäre Testphase

Um den Patienten und ihren Angehörigen, aber auch den behandelnden Ärzten die Entscheidung zu erleichtern, ob und wenn ja welches Pumpenverfahren angewendet werden sollte, gibt es in vielen auf die Erkrankung spezialisierten Fachkliniken die Möglichkeit einer sog. „stationären Testphase“. Hierbei erfolgen sowohl für die Apomorphin- als auch für die L-Dopa-Pumpenbehandlung spezielle Voruntersuchungen, die den Beteiligten eine Vorstellung davon geben, wie die Beweglichkeit unter der Pumpentherapie sein wird. Die Apomorphin-Pumpe kann z.B. für einige Tage unter ärztlicher Aufsicht auf der Station getestet werden, bis man sicher ist, die optimale Pumpeneinstellung gefunden zu haben. Korrekturen der Laufrate der Medikation sind so jederzeit möglich. Auch bei der L-Dopa-Pumpe kann eine entsprechende Testphase erfolgen. Hierbei wird für wenige Tage eine kleine Sonde durch die Nase über den Magen bis in den Dünndarm gelegt, sodass das L-Dopa-Gel in ausreichenden Mengen gegeben werden kann, ohne dass bereits eine endgültige Pumpenanlage durch den Magen erfolgt ist. Außerdem kann die Zeit auf der Station dazu genutzt werden, Patienten und Angehörige in der Bedienung der Pumpe zu schulen und offene Fragen zu klären. Die Zusammenarbeit von Patienten und Angehörigen ist ein entscheidender Faktor für eine erfolgreiche Pumpenbehandlung.

Zusammenfassung

Sowohl die Apomorphin- als auch die L-Dopa-Pumpentherapien sind gute Möglichkeiten, um Patienten mit einem idiopathischen Parkinson-Syndrom im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung und unzureichender Medikamentenwirkung zu behandeln. Welche Therapieform gewählt werden sollte, hängt von verschiedenen Faktoren ab und sollte individuell mit dem betreuenden Arzt oder Spezialisten besprochen werden. Eine stationäre Testphase ist sinnvoll, um die bestmögliche Behandlungsmöglichkeit herauszufinden.

Dr. Inga Claus
Ambulanz für Parkinsonsyndrome und andere Bewegungsstörungen an der Klinik für Neurologie am UKM (Universitätsklinikum Münster)