Vorbemerkung: Hier ist die Rede vom Bundesverband der Deutschen Parkinson Vereinigung e.V. mit Sitz in Neuss. Nicht die Rede ist hier vom selbstständigen Landesverband Baden-Württemberg der Deutschen Parkinson Vereinigung e.V. mit Sitz in Brackenheim.
Was ist geschehen?
Während hunderte Regionalgruppen mit grosser sozialer Kompetenz und Hilfsbereitschaft für Parkinson-Erkrankte Angebote organisieren und tag-täglich der Idee der Selbsthilfe einen grossartigen Dienst erweisen, haben sich in der Geschäftsstelle der dPV in Neuss und auf der Ebene der Vereinsführung erhebliche Defizite und nicht mehr klein zu redende Unregelmässigkeiten ergeben. Der angestellte Geschäftsführer ist darin verwickelt, es gibt überdeutlich sichtbare Verfilzungen mit vermeintlichen Geschäftspartnern, ja, es gibt auch deutliche Compliance-Verstösse und Fehlentscheidungen in wirtschaftlichen, finanziellen und personellen Bereichen.
Warum ist das so?
Immer dann, wenn festgefahrene Strukturen sich als vermeintlich erfolgreich argumentieren lassen, tritt auch Stillstand ein. In einer Selbsthilfeorganisation mit über 15.000 Mitgliedern bedeutet Stillstand auch Rückschritt. Ein Verein mit 15.000 Mitgliedern entspricht einer Kleinstadt. Eine Kleinstadt wird auch nicht von einer Person alleine regiert, sondern es gibt Abteilungen, Zuständigkeiten, Sachgebiete, auch Bereiche für Konfliktlösungen und vieles mehr. Und 15.000 Bewohner einer Kleinstadt haben auch nicht alle die gleiche Meinung und nicht alle können gleichzeitig das Schwimmbad oder das Museum oder das Rathaus besuchen. Alles muss – gar im Zeitpunkt des allfällig erkennbaren, digitalen Wandels – gut und sinnvoll und für die Zielgruppen zufriedenstellend organisiert sein. Niemand wird einfach Mitglied in einem Verein, ohne sich hiervon einen Mehrwert zu erhoffen und niemand bleibt Mitglied in diesem Verein, wenn die Administration nicht ordentlich arbeitet. Nimmt man nich einmal das Beispiel der Kleinstadt, dann ist klar, dass der Gemeinderat im Turnus der Wahlen wechselt. Wohl kaum eine Kleinstadt hat Jahrzehnte lang den gleichen Bürgermeister, immer den gleichen Kämmerer und die fortwährend gleichen Arbeitsabläufe. Die letzten 10 Jahre sind in allen Wirtschafts- und Verwaltungsbereichen von grossen Veränderungen durch die neuen Medien und deutlich schnellere Kommunikation gekennzeichnet.
Die dPV wird seit über 30 Jahren von einem Geschäftsführer geleitet. Sehr, sehr viele Dinge hat er wunderbar gelöst, viele Projekte sehr zielführend und erfolgreich gestaltet und schlussendlich würde die dPV niemals zur grössten Patientenselbsthilfe-Organisation geworden sein, wenn der Geschäftsführer nicht mit gut konturierten und ehrgeizig geplanten Aktionen den Verein zu einem Verband und den Verband nicht auch zu einem wirtschaftlichen Erfolgsprojekt gemacht hätte. Das ist niemals klein zu reden und es ist ihm und seiner Büroleiterin, die schon 35 Jahre bei der dPV arbeitet, zu verdanken.
Warum nun eine Krise?
Dass der angestellte Geschäftsführer über die Jahre und Jahrzehnte nicht nur extrem viel Geld verdient und damit ein hohes Mass persönlicher Unabhängigkeit erreicht hat, sondern sich auch an eine Art Allein-Macht-Stellung gewöhnt hat, kann man ihm kaum verdenken. Er ist Jurist, er war und ist den ehrenamtlichen Vorständen seit jeher fachlich deutlich überlegen, er hatte in dieser Weise tatsächlich den gesamten Verband als „sein Baby“ in der Hand. Das Leben schreitet fort und niemand bleibt ewig jung. Die Vorsitzende der dPV ist 15 Jahre lang im Amt und über 80 Jahre alt, der Geschäftsführer ist 66 Jahre alt, die Büroleiterin über 70 Jahre alt.
Es sollte nun ein Generationswechsel stattfinden. Zur Erreichung dessen wurde am 2. Januar 2023 ein junger, gut ausgebildeter und in Verbandsführungsfragen erfahrener Mann als Nachfolger des in den Ruhestand ausscheidenden Geschäftsführers angestellt. Er sollte von seinem Vorgänger in die Internas eingewiesen und über die spezifischen Bedarfe und Gegebenheiten in den Regional- und Kontaktgruppen informiert werden. Der neue Geschäftsführer besuchte auch schon einige regionale Gruppen und lernte viele ehrenamtliche Ansprechpartner kennen. Ganz unbestreitbar erwarb sich der neue Geschäftsführer schnell hohe Anerkenntnis- und Sympathiewerte.
Die „Amtsübergabe“ geriet von Anfang an zu einem veritablen Desaster. Der angestammte Geschäftsführer fühlte sich wahrscheinlich zurück gesetzt oder war sich der Konsequenz nicht im Klaren, dass heute andere Transparenzanforderungen gelten, als vor 10 oder 20 oder 30 Jahren. Er muss sich fundamental angegriffen gefühlt haben und natürlich war klar, dass bei einem solchen Generationswechsel viele traditionelle Besitzstände hinterfragt würden.
Was konkret wird vorgeworfen?
Allen Ausführungen voran muss man erwähnen, dass die Menschen, die heute mit Vorhaltungen belegt und konfrontiert werden, einen grundsätzlichen Anspruch auf eine in allen Facetten gültige Unschuldsvermutung haben. Niemand darf also sagen: der oder der oder die oder die jenigen Menschen sind „schuldig“! Dennoch müssen natürlich die Dinge und Fakten klar und deutlich benannt werden.
Die Rechenschaftsberichte der dPV sind seit Jahren nicht hinreichend transparent. Hunderttausende Euro werden jährlich für die immer wieder gleichen Firmen und Personen verausgabt. Es sind rückdatierte Angebote aufgetaucht, Aufforderungen zur Abgabe von überteuerten Lieferangeboten an langjährige Geschäftspartner zur Sicherstellung von Warenströmen aus Unternehmen von Familienmitgliedern und viele Dinge mehr. Die Wirtschaftsprüfer bilden die Vermögenslage des Vereines nur fragmentarisch ab und hunderte Geschäftsbankkonten fehlen in den Berichten. Das alles läuft seit langen Jahren so und es läuft erkennbar in eine Richtung, die gültige Normen und Gesetze missachtet. Die Mitglieder bezahlen nicht ganz unerhebliche Beiträge, die Krankenkassen gewähren Förderungen und aus der privaten Wirtschaft kommen weitere Zuwendungen. Jahr für Jahr wurden und werden Millionen Euro bewegt und all diese Entscheidungen fallen im Ergebnis in dem Büro in Neuss von einem einzigen Mann: dem Geschäftsführer des Verbandes, der sich dafür umfänglich bevollmächtigen liess und diese Vollmacht auch im Vereinsregister eintragen liess.
Am 25.4.2023 hat man nun den neuen Geschäftsführer, der all diese Defizite und Vakanzen natürlich entdecken musste und benannt hat, aus seiner eben gerade erst begonnen Laufbahn gekündigt. Der neue Geschäftsführer wurde nicht in die Entscheidungsläufe eingebunden, im Gegenteil. Man verweigerte jede mögliche Information und als er dann selbst die Unregelmässigkeiten bemerkte und an seinen Arbeitgeber, den Vorstand übermittelte, wurde er als Störquelle verstanden und gefeuert. Da er noch in der Probezeit war, konnte man ihn letzthin nahezu barrierefrei los werden.
Was folgt daraus?
Der geschäftsführende und der Gesamtvorstand sind in Lager zerfallen. Die eine Seite unter der Leitung der Vorsitzenden und der Co-Vorsitzenden wollen gemeinsam mit dem alten Geschäftsführer das alte System konservieren. Es soll alles so weitergehen wie bisher. Das Compliance-Recht ist dabei dann nebensächlich, alleine der Neffe der Büroleiterin bekommt seit Jahren enorme Vergütungen überwiesen und die Rechenschaftsberichte bleiben lückenhaft.
Das andere Lager des Vorstandes will die Vertuschungen und die Unklarheiten beenden und mit dem zu Unrecht entlassenen neuen Geschäftsführer weiter zusammen arbeiten.
Inzwischen steckt das Gesamtprocedere fest, es sind Zivil- und Strafverfahren anhängig, die Finanzämter werden wach und werden sicherlich zeitnah die bisherige Führungsriege erheblich unter Druck setzen, die Bücher zu öffnen und die Angaben zum Haushalt des Vereines offen zu publizieren.
Einige Landesvertreter wünschen sich nun einen wirklichen Neustart. Es muss alles unternommen werden, die wertvolle Selbsthilfearbeit vor Ort in den Regionalgruppen zu erhalten und abzusichern. Das ist im Kern tatsächlich der wichtigste Gedanke. Es muss die wirkliche Arbeit der Selbsthilfe zu Gunsten der Mitglieder sichergestellt bleiben. Bis hinein in die Vorstandschaft herrscht die Meinung vor, dass der gesamte Vorstand seine Arbeit ruhen und eine ausserordentliche Delegiertenversammlung einberufen müsste. Viele Stimmen befürworten eine sofortige Freistellung der Geschäftsführung, um den status quo zu sichern und weiteren Schaden auszuschliessen. Auch liegt der Fokus auf dem schnell in Gefahr geratenden Steuerprivileg für gemeinnützige Vereine.