Schlafstörungen

Die bei der Parkinson-Krankheit häufig auftretenden Schlafstörungen beeinflussen die Lebensqualität der Patienten und auch der Angehörigen in erheblichem Maße. In einer groß angelegten Studie haben Wissenschaftler Parkinson-Patienten befragt, welche krankheitsbedingten Störungen sie für die Lebensqualität am meisten störend finden.

Nach den Symptomen der Depression stand die nächtliche Schlafstörung an der zweiten Stelle, vor der durch die Krankheit verursachten Abhängigkeit. Erst an der vierten Stelle wurden die körperlichen Symptome erwähnt. Auch diese Umfrage zeigt die große Bedeutung der Behandlung der Schlafstörungen bei der Parkinson-Krankheit.

Die Wirkung des Nachtschlafes auf die Symptomatik der Krankheit ist nicht zu unterschätzen. Die Schlaflosigkeit verursacht eine Verschlechterung der körperlichen Symptomatik und beeinträchtigt durch die Tagesmüdigkeit die Lebensqualität. Der erholsame, ausreichende Schlaf führt zu einer Besserung der gesamten Symptomatik.

Ursachen

Die Ursachen der Schlafstörungen sind vielfältig. In der erwähnten Studie, wo übrigens mehr als 70 % der Patienten an verschiedenen nächtlichen Schlafstörungen litten, wurden folgende Ursachen erwähnt:

Häufiges Wasserlassen in der Nacht79%
Unbeweglichkeit im Bett, Umdrehen erschwert65 %
Beinkrämpfe55 %
Lebhafte Träume, Albträume48 %
Dystonien, Überbewegungen34%
Beinbewegungen33 %
Zittern in der Nacht27 %
Halluzinationen16 %

Die nächtlichen Schlafstörungen waren in dieser Studie bei Frauen häufiger, sie traten bei vorhandener Depression öfter auf, zeigten eine mit der Krankheitsdauer und mit dem Auftreten von Wirkungsfluktuationen, Überbewegungen und einer Demenz zunehmende Tendenz.

Andere Patientenbefragungen sprechen dafür, dass ca. zwei Drittel der Parkinson-Patienten an nächtlichen Schlafstörungen leiden, ein Drittel davon ist sogar medikamentös behandlungsbedürftig. Die nächtliche Schlaflosigkeit spielt eine große Rolle in der Entstehung der von vielen Patienten gleichzeitig erwähnten Tagesmüdigkeit und in der Überforderung der Angehörigen.

Die Schlafstörungen bei Patienten mit Morbus Parkinson können krankheitsbedingt auftreten, aber auch durch die Therapie selbst hervorgerufen werden. So kann die Einnahme von Dopaminagonisten in hoher Dosis bei einigen Patienten zu vermehrter Wachheit führen. Andere Patienten reagieren hingegen mit vermehrter Schläfrigkeit tagsüber.

In früheren Veröffentlichungen wurde demgegenüber beschrieben, dass Tagesmüdigkeit ausschließlich durch so genannte Non-Ergot-Dopaminagonisten hervorgerufen wird. Heute weiß man, dass es sich häufig um ein Begleitsymptom der Erkrankung selbst handelt, das nur bei manchen Patienten durch Medikamente verstärkt wird. Die so genannte „Schlafapnoe“ (Atemaussetzer während des Schlafs) kann bei Parkinson-Patienten genauso wie bei anderen Erkrankungen auftreten und führt zu nächtlichen Herz-Kreislaufstörungen und oft Tagesschläfrigkeit. Diese Störung sollte in einem Schlaflabor untersucht werden, da gegebenenfalls eine nächtliche Beatmung mit einer Maske erfolgen und damit zu einer deutlichen Verbesserung des Gesamtzustandes des Patienten und einer Blutdruckstabilisierung führen kann.

Schlafanamnese

Um die Schlafstörungen der Parkinson Patienten gezielt behandeln zu können, stellen die behandelnden Ärzte dem Betroffenen und den Angehörigen folgende Fragen der so genannten Schlafanamnese:

  • ist der Patient depressiv?
  • besteht eine Tagesmüdigkeit mit Einschlafen am Tage?
  • schläft der Patient tagsüber plötzlich ein, ohne vorherige Müdigkeit?
  • wurde ein Nachlassen des Gedächtnisses und der geistigen Leistung bemerkt?
  • ist der Patient in der Nacht verwirrt?
  • gibt es bedrohliche, lebhafte Träume?
  • spricht, schreit oder schlägt er um sich im Schlaf?
  • steht er auf, führt komplexe Handlungen im Schlaf durch, ohne Erinnerung am Tage danach?
  • ist es eine Ein- oder Durchschlafstörung in der Nacht?
  • hält der Patient einen Mittagsschlaf?
  • schnarcht der Patient, bekommt er Atempausen?
  • wie oft muss er auf die Toilette?
  • ist das Umdrehen im Bett erschwert?
  • ist die allgemeine Beweglichkeit in der Nacht schlecht?
  • findet sich der Patient am nächsten Morgen so im Bett wie beim Einschlafen?
  • gibt es nächtliche Rückenschmerzen?
  • ist ein vermehrtes Schwitzen in der Nacht vorhanden?
  • hat der Patient brennende Gefühle in den Beinen im Bett?
  • tritt ein Zittern in der Nacht auf?
  • sind Überbewegungen, Dystonien oder Krämpfe in der Nacht bemerkbar?
  • spürt er eine Unruhe in den Beinen, treten Zuckungen der Beine auf, so dass der Patient aufstehen muss?
  • wie ist die aktuelle Medikation, insbesondere am Nachmittag und in der Nacht?

Nach dem Beantworten dieser Fragen kann sich der Arzt über die Ursachen der Schlafstörung ein Bild machen und die gezielte Behandlung einleiten.

Schlaflabor

Für besondere Fälle kann man den Patienten in einem Schlaflabor über Nacht untersuchen lassen. Hier kann man die Veränderung der verschiedenen Schlafphasen, die altersbedingte Einschlafverzögerung und die parkinson-typischen Veränderungen wie Schlaffragmentierung, verminderter Tiefschlafanteil, verminderter REM-Schlaf mit der Polysomnographie feststellen. (REM-Schlaf = Schlafphase mit schnellen Augenbewegungen)

Eine sehr häufig vorkommende Störung, die nicht nur im Schlaf beobachtet werden kann, sondern auch während Entspannung im Wachen, sind periodische Beinbewegungen, so genannte PLM oder PLMS (Periodic Limb Movements). Das sind plötzliche Zuckungen, meist der Wadenmuskulatur. Sie treten bei einer Vielzahl neurologischer Erkrankungen auf, so auch bei Patienten mit Morbus Parkinson.

Der Patient selbst beobachtet PLM meist nicht, sondern bemerkt ein häufiges Erwachen oder aber der Bettpartner berichtet über nächtliche Beinbewegungen des Partners. Kommt zu dem häufigen Erwachen außerdem eine ausgeprägte Tagesmüdigkeit des Patienten hinzu, so leidet er möglicherweise an einer Periodic Limb Movement Disorder (PLMD). Mit zunehmendem Lebensalter nimmt die Häufigkeit von PLM zu.

Behandlung der Schlafstörungen

Zur Diagnostik ist neben verschiedenen Schlaf-Beurteilungsbogen auch ein Depressionstest zweckmäßig. Die nächtliche Schlafstörung kann häufig Symptom der begleitenden Depression sein und kann deswegen nur mit einer antidepressiven Therapie erfolgreich behandelt werden.

Die Parkinson-bedingten körperlichen Störungen in der Nacht, die den Schlaf hindern, kann man mit der Optimierung der Parkinson-Therapie behandeln. Die nächtliche Akinese (Unbeweglichkeit), die fehlende Möglichkeit des Umdrehens und der Lagewechsel, gekoppelt mit einem starken Schwitzen führt zu heftigen Rückenschmerzen, brennenden Gefühlen im ganzen Körper. Im Rahmen dieser nächtlichen „Off“-Phase können, insbesondere in den Morgenstunden heftige Fußkrämpfe (Dystonien) auftreten. Infolge der Unbeweglichkeit ist auch der Toilettengang erschwert oder unmöglich. Diese genannten Probleme sind im Allgemeinen darauf zurückzuführen, dass die Parkinsonmittel in der Nacht nicht mehr wirken. In diesen Fällen kann die abendliche Gabe von L-Dopa-Retard-Tabletten oder von langwirksamen Dopamin-Agonisten hilfreich sein. Auch schnellwirksames, lösliches L-Dopa ist beim Aufwachen in der Nacht angezeigt.

Einige Patienten berichten über ein störendes Zittern als Ursache der Schlafstörung. Das sichtbare Zittern verschwindet normalerweise im Schlaf, im Schlaflabor wurde aber festgestellt, dass rhythmische Muskelzuckungen in verschiedenen Schlafstadien vorhanden sind. Beim Aufwachen oder bei Wechsel der Schlafphasen wird das Zittern wieder sichtbar. Es ist auch möglich, dass der Patient wegen des starken Zitterns nicht einschlafen kann.

Bei den nächtlichen Überbewegungen kommt eine Dosisreduktion der Mittel, die für die Überbewegungen verantwortlich sind, in Frage.

Bei dem Auftreten von Verwirrtheit, Albträumen, Halluzinationen ist eine Dosisreduktion der Medikamente und/oder Gabe so genannter atypischer Neuroleptika notwendig.Auch die Parkinson-bedingte Reizblase mit häufigem Urinieren in der Nacht ist eine bekannte Ursache der Schlafstörung. Die medikamentöse Behandlung der Blasenstörung kann in vielen Fällen einen ausreichenden Schlaf ermöglichen.

Wenn der Patient im Bett über brennende Missempfindungen der Beine berichtet, sollte man auch an eine Polyneuropathie (Nervenentzündung) denken.

Bei der erwähnten Unruhe und bei Zuckungen in den Beinen (Restless Leg) ist eine gezielte L-Dopa- oder Dopamin-Agonisten-Therapie notwendig.

Auch die so genannte REM-Schlaf-assoziierte Verhaltensstörung in der Nacht bedarf spezifischer Medikation.

Wenn durch die genannten Therapiemaßnahmen und die nachstehend beschriebene Schlafhygiene keine wesentliche Besserung der Schlafstörung erreicht werden kann, können Schlaf fördernde Antidepressiva als Schlafmittel eingesetzt werden. Auch richtige Schlafmittel und atypische Neuroleptika kommen als letzte Möglichkeit in Frage.

Schlafhygiene

Die Schlafhygiene bekommt bei den Schlafstörungen der Parkinsonpatienten eine besonders wichtige Rolle. Einige Punkte der Schlafhygiene sind allgemeingültig, wie das Klima und die Ruhe des Schlafzimmers, leichte Kost am Abend, der Abendspaziergang, das Duschen vor dem Schlafengehen und die Einschlafrituale. Parkinson-typische Punkte sind die Folgenden:

  • Härtere Unterbetten verhindern das Einsinken des unbeweglichen Patienten.
  • Elektrisch verstellbare Betten (auch in der Höhe) fördern die nächtliche Beweglichkeit.
  • Besondere Bettwäsche z.B. aus Seide vereinfacht das Umdrehen im Bett.
  • Eine Aufrichthilfe ist bei der nächtlichen Unbeweglichkeit unentbehrlich.
  • Eine leichtere Bettdecke gibt dem unbeweglichen Patienten größere Bewegungsfreiheit.
  • Schlafanzugwechsel ist für den schweißgebadeten Patienten sehr wohltuend.
  • Die Einnahme der Nachtmedikation und evtl. des Schlafmittels hat direkt vor dem Schlafengehen schon im Bett zu erfolgen.
  • Urinflasche am Bett, Urinal-Kondome, evtl. Harnableitung durch die Bauchwand können sich bei dem nächtlichen Harndrang und gleichzeitiger Unbeweglichkeit auch auf die Schlafstörung günstig auswirken. Die notwendige Flüssigkeitsmenge sollte vor 18 Uhr getrunken werden.

Einfluss der Medikation

L-Dopa-Präparate und Dopamin-Agonisten wirken im Allgemeinen durch die Besserung der Beweglichkeit schlaffördernd. In höheren abendlichen Dosen können diese Medikamente aber auch schlafhemmend wirken.

Die Dopamin-Agonisten, weniger ausgeprägt auch das L-Dopa selbst, können eine ausgeprägte Tagesmüdigkeit verursachen. Dies ist in ca. 20 % der Patienten der Fall. Die extrem seltene Nebenwirkung der Dopamin-Agonisten ist der so genannte Sekundenschlaf. Hier schläft der Patient ohne vorherige Müdigkeit auch während verschiedener Aktivitäten, wie beim Autofahren plötzlich ein. Diese Nebenwirkung tritt im Allgemeinen in der ersten Zeit der Aufdosierung auf, so dass die Einschränkungen beim Autofahren, wenn der Patient diese Nebenwirkung nicht zeigt, aufgehoben werden konnten. Diese Störungen sind dosisabhängig, so dass eine Reduzierung der Dosis hilfreich sein kann.

Die MAO-B-Hemmer lösen selten Schlafstörungen aus. Die COMT-Hemmer können Tagesmüdigkeit und selten auch Schlafstörungen verursachen.

Die Glutamat-Antagonisten (Amantadine) können Schlafstörungen hervorrufen, sie werden im Allgemeinen nicht nach 16:00 Uhr verabreicht.

Die Anticholinergika können durch die Zunahme der Verwirrtheit Schlafstörungen auslösen.

Wegen der großen Bedeutung des erholsamen Schlafes auf die Lebensqualität und die Symptomatik der Patienten sollten die Schlafstörungen immer ernst genommen und adäquat behandelt werden.

Stand August 2012 | Dr. Ferenc Fornadi, Gertrudis-Klinik Biskirchen